Die veganen Çiğ Köfte und ich begegneten uns zum ersten Mal in Istanbul. Ein Standbetreiber drückte mir bei einem Altstadtbummel ein Salatblatt mit einem knallroten "Würstchen" zum Probieren in die Hand. Meinen überraschten Blick garnierte er mit der Bemerkung: It's good, no meat. Abenteuerlustig, wie ich nunmal bin, biss ich beherzt in das Röllchen. Eine Chili- und Salzexplosion im Mund trieb mir die Tränen in die Augen. Hustend huschte ich eilig um die Ecke, um den Rest unauffällig loszuwerden. Es war alles andere als Liebe auf den ersten Blick und eine zeitnahe Wiederholung stand nicht auf meinem kulinarischen Wunschzettel. Vor ein paar Wochen entdeckte ich zufällig auf dem Heimweg einen Stand mit diversen Köftevarianten. Mutig eine kleine Auswahl erstanden und zu Hause festgestellt: Schärfe okay, allerdings nur für mich. Herr C. begann nach dem Probebissen zu röcheln - er ist halt echt empfindlich. Auch der Salzgehalt war erneut an der obersten Grenze. Die Idee, Köftemasse auf ein dünnes Fladenbrot zu streichen, mit Salat einzurollen und dann das Ganze als Köftewrap zu servieren, fand ich toll. Wenn da nicht der saure Salat und diese angetrocknete und zugleich gummige Fladenbrothülle gewesen wäre... Das geht auch besser, dachte ich mir. Nur hatte ich nicht damit gerechnet, so viele Anläufe dafür zu benötigen. Meine diversen Anmerkungen zu dem Rezept findet ihr unten.
Für die würzige Köftemasse:
- 200 gr Wasser
- 2 Prisen Salz
- 200 gr feiner, heller Bulgur (io: Köftelik Ince Bulgur von Duru)
Wasser mit Salz in einem Topf zum Kochen bringen. Unterdessen den Bulgur in der Metallrührschüssel der Küchenmaschine oder einer anderen hitzebeständigen Schüssel abwiegen. Wenn das Wasser kocht, schnell über den Bulgur giessen und alles mit einer Gabel vermischen. Schüssel abdecken und den Bulgur zehn Minuten quellen lassen. Unterdessen die restlichen Zutaten vorbereiten und abmessen.
- 1 reife, möglichst aromatische Tomate, ca. 150 gr
- 1 Zwiebel, ca. 95 gr
- 4 El Tomatenmark (io: Tube, bio)
- 3 El Olivenöl
- 2 El Paprikamark (io: Tube, mild, aus Ungarn)
- 1-2 El Granatapfelmelasse (io: Grenadine Molasses von Chtoura )
- 1 El Palmsirup, optional
- 1 Tl Pul Biber Tatlı / milde Paprikaflocken
- 1 Tl Paprikapulver, mild (io: geräuchert)
- 1 Tl Sumach
- 1/2 Tl fein gemahlener Kreuzkümmel
- 1/2 Tl Koriander, gemahlen
- 1/2 Tl Pimentpulver
- 1/4 Tl Zimtpulver
- 1/4 Tl Isot Biber
- 1/4 Tl getrocknete Minze (türk. Nane, keine Pfefferminze!)
- knapper 1/4 Tl gemahlener Bockshornklee
- 1/8 Tl schwarzer Pfeffer aus der Mühle (io: Kampot)
- Salz (io: Herbamare oder Bio Oriental Salz)
Tomate abbrausen, Stielansatz entfernen und fein raffeln. Übrige Tomatenschale entsorgen. Oder die Tomate im Mixer zu einem glatten Brei verarbeiten. Zwiebel schälen und auf der Röstiraffel in kleine Stückchen reiben (runde Bewegungen, nicht hoch und runter). Zwiebelstücke in ein feines Sieb befördern und mit einem Löffel soviel Saft wie möglich rauspressen. Tomatenbrei, Zwiebelstücke und alle anderen Zutaten zum gequollenen Bulgur in die Rührschüssel geben. Sparsam salzen. Flachrührer einspannen und die Köftemasse auf niedriger Stufe etwa 20 - 30 Minuten kneten, bis sie prima zusammenhält. Ab und zu mit einem Gummischaber die Schüsselwand reinigen und, wenn die Masse zu trocken scheint, esslöffelweise kaltes Wasser zugeben. Zwischendurch kosten und, falls nötig, nachwürzen. Wenn man mit den Händen problemlos Röllchen formen kann, ist die gewünschte Konsistenz erreicht. Die Köftemasse in Tupperware (800 ml Fassungsvermögen) packen und über Nacht im Kühlschrank parkieren. Man kann die Köfte natürlich auch direkt formen und auf knackigen Salatblättern arrangieren, aber durch die Ruhezeit verbessert sich der Geschmack. Die kalte Masse lässt sich ausserdem sehr gut ohne Gummihandschuhe formen: Unmittelbar vor dem Servieren einen Esslöffel voll zwischen den Händen zu einem daumendicken Würstchen rollen. Die Hand danach zusammenpressen, um die traditionelle Köfteform mit den Fingerabdrücken zu erhalten. Vier Röllchen pro Person sind ein guter Mittelwert. Die Bulgurmasse hält sich, wenn sauber gearbeitet wurde, locker eine Woche im Kühlschrank.
Anmerkungen: Traditionell wird die Köftemasse stundenlang von Hand geknetet. Durch das Vorquellen des Bulgurs und den Einsatz der Küchenmaschine erspare ich mir den kräfte- und zeitraubenden Aufwand. Türkische Rezepte verlangen oft ein Kilo Bulgur oder mehr, die obige Menge reicht für sechs bis acht Personen als Fingerfood und mit Salatbeilage für vier Personen als leichtes Hauptgericht. Ich empfehle für mein Rezept hellen Bulgur. Der Schalenanteil der rot-braunen Variante (Esmer Bulgur) bleibt, trotz Quellzeit, unangenehm hart und stört mich beim Genuss der fertigen Köfte. Geschmacklich konnte ich keinen Unterschied feststellen, ausserdem ist heller Bulgur einfacher aufzutreiben. Im Winter würde ich die Tomate durch ein paar Esslöffel kaltes Wasser ersetzen. Wer Kerne und Schalenfitzel verabscheut, sollte den Tomatenbrei vor der Weiterverwendung durch ein Sieb streichen. Das Ausdrücken der Zwiebelstücke sorgt dafür, dass die Schärfe abgemildert wird und der Zwiebelgeschmack die Köfte nicht dominiert. Gewürzt wird nach Lust und Laune. Je mehr Gewürze, desto besser. Finde ich zumindest. Zimt, Koriander, Bockshornklee und Nane Minze können im Notfall ersatzlos gestrichen werden. Paprikaflocken 1:1 durch Paprikapulver ersetzen, Isot Biber durch weniger Cayennepfeffer. Sumach, Piment und Kreuzkümmel gehören aber unbedingt rein. Ich verwende libanesische Granatapfelmelasse statt türkischer Granatapfelsauce (Nar ekşisi), die oft unerwünschte Zusätze wie E-Nummern enthält. Mit einem Esslöffel voll starten und nach Geschmack mehr zugeben. Nachdem der erste Versuch mit zwei Esslöffeln Granatapfelmelasse zu sauer geriet, habe ich einen Esslöffel Palmsirup untergemischt. Seither ist er ein fester Bestandteil meiner Çiğ Köfte. Dunkler Ahornsirup wäre ein guter Ersatz, sonst einfach weglassen. Frische, gehackte Petersilie ist nur bei Knoblauchzugabe ein Muss, ohne hält die Masse länger im Kühlschrank. Alle Zutaten, bis auf den Palmsirup, sind in türkischen Geschäften erhältlich.
2 Kommentare:
Uuuuh, das ist ja ein richtiges Köfte-Kompendium! Toll, dass du uns dein gesammeltes Wissen zur Verfügung stellst :-)
Alles Liebe!
Nach sechs Anläufen, bei denen immer etwas nicht gepasst hat, ist Herr C. unendlich froh, dass ich mit dem obigen Rezept rundum zufrieden bin. Er ist glaub's kurz vor einer Köftevergiftung... ;-) Natürlich habe ich mich vor dem ersten Versuch umfassend informiert, aber erst Versuch macht kluch. Zum Beispiel die Sache mit den Zwiebeln: In den meisten (nichttürkischen) Rezepten werden kleingehackte Zwiebeln und geriebener Knoblauch verwendet. Die Zwiebelstücke sind nach ein paar Stunden sehr dominant und zusammen mit dem Knoblauch ein Overkill. Die ganzen Gewürzaromen werden erschlagen, und trotz Petersilie riecht der Atem den Rest des Abends ziemlich streng. Also Knoblauch gestrichen, die zusätzliche Arbeit mit dem Ausdrücken eingebaut und weil dann kein Bedarf mehr für Petersilie als Gegengewicht bestand, diese auch weggelassen. Und so weiter und so fort. Wenn ich jemandem mit diesem Rezept etliche Umwege ersparen kann, hat sich der Aufwand gelohnt.
Kommentar veröffentlichen