Montag, 18. November 2013

Schlehengin - Frost oder nicht Frost? Das ist hier die Frage.



Beim Thema "Der richtige Zeitpunkt zur Schlehenernte" scheiden sich die Geister. Viele vertreten die Meinung, dass Schlehen erst nach einem kräftigen Frost geerntet werden dürfen. Dank der eisigen Kälte würden sich unerwünschte Gerbstoffe in die Pflanze zurückziehen und die Früchte wären nur nach diesem natürlichen Abbauprozess geniessbar. Andere wiederum meinen, dass ein Aufenthalt im Tiefkühler den natürlichen Frost ersetzen kann, weil sich die Gerbstoffe abbauen oder in Zucker verwandeln. Über die Länge des Aufenthaltes sind sie sich allerdings nicht einig. Eine Nacht? Eine Woche? Oder mindestens sechs Monate? Einige Leute scheinen mit der Tiefkühlmethode seit Jahren oder Jahrzehnten Erfolge verbuchen zu können. Manche hatten mit den eingefrorenen Früchten nur Probleme, weil das daraus Eingemachte fürchterlich sauer oder eklig pelzig schmeckte. Einzige Einigkeit: Man muss den Vögel zuvorkommen. Noch länger warten oder gleich absammeln? Und so sind wir flugs wieder beim Ausgangsproblem. Komplizierte Sache.


Lustigerweise vertreten auch die Autoren meiner schlauen Wildpflanzenbücher keine einheitliche Meinung. Darum startete am 10. September meine eigene Testreihe. Die Schlehen waren damals sauer-pelzig und sind nach zwei Monaten in der Tiefkühltruhe zwar immer noch sauer, aber (für mein Empfinden) weniger zusammenziehend. Einen Monat später wurde ein zweites Sackerl eingefroren, der Geschmackstest nach einem Monat hat keine wahrnehmbare Verbesserung ergeben. Verändern sich die Inhaltsstoffe also erst nach einer gewissen Zeit? Oder doch nicht? Ich lasse die Schlehen jetzt mal im Eis, damit ich weiterhin in regelmässigen Abständen probieren und ggf. über Veränderungen berichten kann. 

Und was ist mit dem natürlichen Frost? Bei Spaziergängen mit dem Schweinwoll konnte ich seit Anfang September immer wieder einige Schlehen an verschiedenen Standorten verkosten. Mit ganz unterschiedlichen Ergebnissen. Beispielsweise sind an zwei Sträuchern die Früchte seit Wochen auch ohne Frosteinwirkung "reif", d.h. nicht mehr sauer und angenehm zu essen (wenn man den speziellen Geschmack mag). Einige Meter weiter sind die Früchte eines dritten Strauches auch nach zwei frostigen Nächten immer noch gräuslich sauer. An einer Stelle auf dem Land, wo schon mehrere Tage lang Minusgrade herrschten, sind die Schlehen verschrumpelt, matschig und trotzdem immer noch ungeniessbar. Andere Sträucher sind schon fast blatt- und fruchtfrei. Ob da Menschen oder Vögel am Werk waren, konnte ich nicht mit Sicherheit feststellen. Ich werde also meine Kontrollgänge fortsetzen und bin selber sehr gespannt, ob sich die Früchte draussen in der Natur noch verändern werden.

Weil ich nicht ganz leer ausgehen wollte, wurden die übrig gebliebenen Schlehen vorsichtshalber geerntet und zu Hause in Alkohol eingelegt. Laut einigen englischen Blogs darf Sloe gin auch mit zu früh geernteten Früchten angesetzt werden. Nach einem Monat Ziehzeit kann ich sagen: Es funktioniert und schmeckt jetzt schon sehr angenehm. Kein pelziges Gefühl im Mund, kein Aufrollen der Zehennägel. Die Früchte müssen aber noch ein paar Wochen länger im Alkohol schwimmen und nach dem Absieben sollte der Gin ein Jahr ruhen. Kein Rezept für ein Last-Minute-Geschenk, aber Weihnachten 2014 kommt schliesslich auch bald.


Für ein 1,5 Liter fassendes Einmachglas:

  • 650 gr Schlehen
  • 200 gr Zucker (oder mehr)
  • ca. 1,2 Liter Gin zum Auffüllen

Schlehen nur wenn nötig waschen und mit Küchenpapier trockentupfen. Angefaulte oder zu matschige Exemplare aussortieren. Jede einzelne Frucht mit einer grossen Nadel oder der Spitze eines Messers anstechen und ins gut gereinigte Einmachglas geben. Von 10 Früchten das Fruchtfleisch vom Kern schaben. Kerne vorsichtig mit einem Nussknacker aufbrechen, das weiche Innere mit einem Messer halbieren und ebenfalls ins Glas geben. Die Kerne sind nicht zwingend notwendig, sorgen aber für einen leichten Bittermandelgeschmack, den ich sehr delikat finde. Zucker über die Früchte löffeln und das Glas möglichst bis zum unteren Rand mit Gin auffüllen. Deckel zudrehen und kräftig durchschütteln. Glas auf den Küchentisch stellen und in den folgenden 3-4 Tage beim Vorbeilaufen immer mal wieder kurz schütteln. Sobald sich der Zucker vollständig aufgelöst hat, das Glas an ein dunkles, eher kühles Plätzchen stellen und mindestens 8 Wochen, besser drei Monate, ziehen lassen. Danach durch ein Geléetuch seihen und den Gin in saubere Flaschen umfüllen. Gut verschliessen und, wenn möglich, 12 Monate reifen lassen. Je länger der Gin ruhen darf, desto aromatischer wird er. Die mit Alkohol vollgesogenen Früchte nicht wegwerfen, daraus lassen sich noch Desserts oder beschwipste Konfitüren herstellen.

P.S. Die Zuckermenge richtet sich hier ganz nach dem persönlichen Geschmack. In Büchern und im Internet werden Mengen von 1:10 (ein Teil Zucker auf zehn Teile Schlehen) bis 1:1 oder höher angegeben. Falls der Gin nach der Ziehzeit nicht süss genug ist, einfach mehr Zucker unterrühren.


1 Kommentar:

Glücksgärtnerin hat gesagt…

Interessantes Experiment, bin gespannt auf das Fazit. Ich habe Schlehen in diesem Jahr wieder im September gesammelt (weil ich im November immer leer ausgehe...). Nach einer Nacht in der TK-Truhe habe ich angefangen, Saft und Likör anzusetzen. Es ist ein sehr milder Saft geworden. Über den Likör kann ich noch nichts sagen, aber der vom letzten Jahr war gut.