Dienstag, 28. Oktober 2014

Wer kennt schon Mespilus germanica?



Mispeln! Endlich! Juhui! 
Jahrelang danach Ausschau gehalten und plötzlich tauchte der Baum an einer Ecke auf, wo wir ab und zu vorbei fahren. Die Tomaten auf meinen Augen müssen die Ausmasse von Wassermelonen haben....


Mispeln sind leider total aus der Mode gekommen, darum kennt sie fast niemand mehr. Im Elisabethanischen Zeitalter wurden die Bäume wegen der hübschen Blüten en masse in Gärten und Parks angepflanzt, später war Mispelgelée (Medlar Jelly) ein Muss auf dem Frühstückstisch der oberen Schichten. Doch mit der fortschreitenden Industrialisierung begann die Frucht langsam in Vergessenheit zu geraten. Ein Schicksal, dass sie leider mit vielen anderen alten Frucht- und Gemüsesorten teilt. Neue Züchtungen sind oft einfacher zu verarbeiten und länger lagerbar, da können die meisten alten Sorten und Wildfrüchte nicht mithalten. Speziell bei der Mispel ist, dass sie noch einen Verrottungsprozess durchmachen muss, bevor sie roh genossen oder verarbeitet werden kann. Dieser wird durch Kälte in Gang gebracht. Das heisst, entweder wartet man eine Frostperiode ab, bevor die Früchte gepflückt werden oder sie werden früher geerntet und müsse dann in einem kühlen Raum mehrere Wochen nachreifen bzw. verrotten. Erst wenn das Fruchtfleisch butterweich ist und die Farbe von weiss zu braun gewechselt hat, sind sie essbar und haben ihren unverwechselbaren Geschmack entwickelt. Die echte Mispel (Mespilus germanica) ist übrigens nicht verwandt mit der orangefarbenen japanischen Wollmispel (Eriobotrya japonica), die manchmal in türkischen und italienischen Geschäften als Mispel oder Nespole verkauft wird. 


Wir haben am 16. Oktober eine Menge gepflückt, schätze so 5-6 Kilos dürften es schon sein. Erstens hatte ich keine Lust, länger zu warten (wäre schön enttäuscht gewesen, wenn sie mir jemand vor der Nase weggeschnappt hätte) und zweitens verursachen reife, pflotschweiche Mispeln eine ziemliche Sauerei beim Ernten. Damit sie in Ruhe ihre Transformation durchlaufen können, habe ich einen grossen Bilderrahmen auf zwei Böcke gelegt, mit Zeitungen und Küchenpapier abgedeckt und die Mispeln mit genügend Zwischenraum darauf verteilt. Keller oder eine ungeheizte Garage sind für diesen Prozess noch besser geeignet, aber ich mag sie lieber in Sichtweite, so kann ich sie täglich kontrollieren, befummeln und mich daran erfreuen. Bis jetzt hat sich noch nicht viel getan, ich werde euch aber auf dem Laufenden halten. Ausführliche Infos, auch zu anderen Wildfruchtgehölzen, finden sich in dieser sehr interessanten Diplomarbeit (ab Kapitel 3.2.).




13 Kommentare:

Frau M. vom zehnten Stock Links hat gesagt…

What the hell sind Mispeln? Noch nie, nie, nie davon gehört und gelesen. Und ich lese viel.
Aber egal...bitte unbedingt weiter berichten, ich bin sehr sehr gespannt...Liebe Grüsse.

Cooketteria hat gesagt…

Huch, wo sind denn die ganzen Erklärungen abgeblieben? Shit happens, falsche Version veröffentlicht. Werde ich gleich ändern.

Danke und liebe Grüsse zurück.

Susanne hat gesagt…

Hab ich neulich gesehen....beim türkischen Lebensmittelhändler. Hätte ich am Ende welche kaufen sollen?

SarahMorena hat gesagt…

Ich liebe Mispeln!
Bisher hab ich hier in der Gegend allerdings noch keinen Baum entdecken können und hab so immer in italienischen oder türkischen Märkten danach Ausschau gehalten! =) Und ich habe seit letztem Jahr vor, solch einen Baum in den Garten oder auf die Streuobstwiese meiner Großeltern zu pflanzen. Das muss ich nun aber endlich mal umsetzten! =)

Liebe Grüße,
Sarah =)

Wilde Henne hat gesagt…

Ich kenn ja vieles, was andere nicht kenne. Aber Mispeln habe ich noch nie gesehen. Ich wusste bloss dem Namen nach, was das ist...
Bin gespannt auf die Fortsetzung der Story.

multikulinaria hat gesagt…

Mispeln kenne ich nur vom Hörensagen. Hätte nicht gedaht, dass das so große Früchte sind! Gut so, dann entdecke ich vielleicht auch mal welche. Ist schon erstaunlich, was sich alles an Essbarem findet, wenn man nur mit offenen Augen unterwegs ist.

Cooketteria hat gesagt…

@ Susanne
Waren sie braun oder orange? Bei meinem Türken gibt es auch immer mal wieder japanische Wollmispeln/Nespole (mit den grossen braunen Kernen), die haben allerdings mit der einheimischen Mispel nicht viel gemeinsam.

@ SarahMorena
Ich beneide dich um deinen grossen Garten. Wir haben definitiv keinen Platz mehr für einen weiteren Baum, was ich sehr schade finde. Die im Text erwähnte Diplomarbeit geht auch auf die erhältlichen Sorten, gute Standorte und den Anbau ein. Vielleicht ist das was für dich.

@ Wilde Henne
Anscheinend sind Mispeln noch oft im Kanton Nidwalden anzutreffen. Dort dann unter der Bezeichnung "Näschpli". Meine auch mal auf dem Markt in Bern ein Glas Näschplikonfitüre gesehen zu haben. Dachte damals, das wäre ein berndeutscher Ausdruck für Lederäpfel (das Foto war ziemlich verschwommen).

@ multikulinaria
Bin ja keine Expertin, aber laut dem Internet sind die Früchte von "wilden" Bäumen anscheinend wirklich kleiner. Der von mir gefundene Baum müsste eine Kultursorte sein, anders kann ich mir die grossen Früchte nicht erklären.

Susanne hat gesagt…

Die waren bräunlich....

Anonym hat gesagt…

Dein Mispeltisch hat irgendwie was Installationsmäßiges, très chic! :-)
Und nein. Ich kannte sie auch nicht, also ich habe den Namen schon gehört, wusste aber nicht, dass man sie essen kann. Bin sehr gespannt auf die Fortsetzung!

Sarah Maria hat gesagt…

Den Namen habe ich schon gehört, aber sie bisher weder gesehen, noch gegessen. Bin sehr neugierig, wie sie sich bei dir entwickeln - und letztendlich schmecken werden. :)

Liebe Grüße,
Sarah Maria

SarahMorena hat gesagt…

Die Diplomarbeit hab ich mir tatsächlich gleich mal angeschaut ;-) Und den Link abgespeichert.

Liebe Grüße,
Sarah =)

zorra hat gesagt…

Die Sorte, die es hier zu kaufen gibt sieht etwas anders aus. In Spanien sind Mispeln aber sehr beliebt. Ich hab auch ein, zwei Rezepte im Blog: http://www.kochtopf.me/search/mispeln/

Cooketteria hat gesagt…

@ zorra
Danke für den Link. Allerdings sind die von dir verwendeten Nisperos (Eriobotrya japonica) nicht verwandt mit der echten Mispel (Mespilus germanica). Lustig, dass so viele Leute Wollmispeln kennen, aber noch nie von der echten Mispel gehört haben. Ich scheine da einen wahren Schatz gefunden zu haben. :-)