Mittwoch, 15. Mai 2013

Kein grüner Waldmeistersirup weit und breit



Ich gestehe: Bis vor einigen Jahren kannte ich Waldmeister nur in Form von industriell hergestelltem Wackelpudding. Grüner Glibber mit Vanillesauce war in meiner Kindheit eine seltene, aber immer gern gesehene Nachspeise. Je ekliger der Anblick, desto toller fand ich es. Als ich diese Phase mit Beginn der Pubertät abschloss, verschwand auch der Waldmeister aus meinem Leben und tauchte erst wieder auf, als ich mich für essbare Wildpflanzen zu interessieren begann. Waldmeister wird in vielen Gärten als Bodendecker für schattige Plätzchen geschätzt, wächst aber natürlich auch wild und besonders gerne an Waldrändern. Wer in der freien Natur pflücken geht, sollte sich einen Ort abseits bekannter Spazierwege suchen. Schliesslich mag keiner Hundepipi auf'm Teller bzw. im Glas. Mein Tipp: Am besten an einer Böschung ernten. Je höher gelegen, desto besser. Die meisten Hunde sind zu faul, um zum Pinkeln irgendwo hochzukraxeln. 

     

Kurz vor der Blüte schmeckt der Waldmeister am intensivsten. Nur die oberen 2-3 Blattetagen mit dem Daumennagel abknipsen und gleich vor Ort gründlich ausschütteln. Handgelenk mal Pi würde ich behaupten, dass eine Doppelhand voll in etwa 10 Gramm angetrockneten Waldmeister ergibt. In einen Korb oder eine Stofftasche legen und in Ruhe den Spaziergang beenden. Waldmeister hat es nicht eilig. Zu Hause die Beute auf ein sauberes Geschirrtuch oder Haushaltstücher legen und unerwünschten Beifang, wie Insekten oder andere Pflanzen, aussortieren. Nur waschen, wenn es unbedingt sein muss. Frisch geernteter Waldmeister schmeckt langweilig grasig, erst wenn die Pflanze welk/angetrocknet ist, entfaltet sie ihren charakteristischen Duft nach Heu und Tonkabohne. Angeblich bringt man ihn auch durch kurzes Einfrieren zum Duften, ausprobiert habe ich diese Methode allerdings noch nicht. Wer genug Platz hat, kann Dörrsiebe oder -gitter aufstellen und die Pflänzchen darauf welken lassen. Wenn weniger Platz vorhanden ist, tut es auch ein Sieb, dessen Löcher nicht allzu gross sind. Oder man behilft sich mit Plastikschalen (die mit dem durchlöcherten Böden), in denen normalerweise Erdbeeren oder Sommerfrüchte verkauft werden. Sie sind besonders praktisch, weil sie sich versetzt übereinander stapeln lassen und so auch eine grosse Waldmeisterernte auf kleinstem Raum problemlos untergebracht werden kann. In ein nicht allzu warmes Zimmer ohne direkte Sonneneinstrahlung stellen und dort etwa 24 Stunden welken lassen. Mindestens zwei Mal pro Tag wenden und aufschütteln, damit alles gleichmässig antrocknet. Nach 24 Stunden sollte der Waldmeister noch grün sein und wunderbar duften. Er ist nun bereit, um in Geleé, Sirup, Likör oder Extrakt verwandelt zu werden. Der Sirup sollte nur ganz leicht säuerlich sein, daher bitte sparsam mit der Zitronensäure umgehen. Ein Gramm entspricht etwa einem 1/3 Teelöffel voll und ist völlig ausreichend. Zuviel würde den zarten Heugeschmack überdecken. 


Für 2 Flaschen à 350 ml:

  • 750 ml Wasser
  • 400 gr Zucker
  • 1 Gramm Zitronensäure 
  • 20 gr angetrockneter Waldmeister
  • 2 Msp Vanillemark (optional)

Wasser, Zucker und Zitronensäure aufkochen, sprudelnd fünf Minuten kochen, bis der Zucker sich aufgelöst hat und der Sirup klar ist. Im Topf abkühlen lassen. Waldmeister und Vanillemark in ein Glas geben und mit dem höchstens 40 Grad warmen Sirup übergiessen. 24 Stunden an einem kühlen Ort ziehen lassen. Durch einen Nussmilchbeutel filtern, in sterilisierte Flasche füllen und im Keller oder Kühlschrank lagern. Hält sich unangebrochen etwa 3 Monate, angebrochen und im Kühlschrank aufbewahrt so 3-4 Wochen.

Info: Der Sirup ist am Schluss nicht grün, sondern farblos klar. Er ist so stark konzentriert, dass ich ihn zum Trinken mindestens im Verhältnis 1:12 verdünne. Ideal auch für Backwaren, Desserts, Saucen und Fruchtsalate. Bitte nur Pflanzen sammeln, die man auch wirklich kennt oder anhand bestimmter Merkmale sicher identifizieren kann. Ich will schliesslich niemanden vorzeitig die Radieschen von unten angucken lassen. Waldmeister enthält Cumarin, welches in zu hoher Dosierung genossen, Kopfschmerzen, Schwindelgefühle und Erbrechen auslösen kann. Hier gilt: Die Menge macht das Gift. Mehr Ideen mit Waldmeister findet ihr beim Garten-Koch-Event.

Garten-Koch-Event Mai: Waldmeister [31.05.2013]


6 Kommentare:

Andrea Natschke hat gesagt…

Das ist toll, wo ich mir doch auch gerade vorgenommen hatte, etwas mit Waldmeister zu machen... Ich liebe diesen Geschmack. Der erinnert mich immer an Kindertage.
Liebe Grüsse
Andrea

Cooketteria hat gesagt…

Gern geschehen. Wenn ich genug Zeit finde, werde ich in den nächsten Tagen noch Rezepte für Waldmeisterzucker, -extrakt, -wein und -kekse einstellen. Bin gerade im totalen Waldmeisterwahn. :-)

Ganz liebe Grüsse zurück

magentratzerl hat gesagt…

Ein Waldmeisterfeldchen hätte ich ja entdekct - blöderweise eines mit Hunde-Draufpisel-Garantie :-(

Wilde Henne hat gesagt…

Wäre auch mal was, so ein Waldmeistersirup. Vielleicht sollte ich noch schnell in den Wald flitzen heute.

Cooketteria hat gesagt…

@ Wilde Henne
Dann wurdet ihr wohl vom Regen verschont. Ich wollte noch mal schnell Nachschub für den Wäscheschrank holen, weil ich die ganze Ernte ihm Wahn verkocht habe. Nix war's. Regen den ganzen Tag. Der nächste sonnige Tag ist für Mittwoch gemeldet. Suuuuper.

Cooketteria hat gesagt…

@ magentratzerl

Sowas ist immer ärgerlich.

Wie wäre es mit ein, zwei Pflänzchen im Garten auspflanzen? Kannst sie ja im Wald klauen..öööhhhmm..ausleihen und bis nächstes Jahr hat sich sämtliches Pipi abgebaut. Oder einfach im Gartencenter welchen kaufen. Wo Moos wächst, dürfte auch Waldmeister gut gedeihen.