Gleich vorneweg: Es handelt sich bei Vegan Oriental nicht um eine Zusammenstellung von bekannten, traditionellen und seit jeher veganen Gerichten aus dem orientalischen Raum, wie der Titel vermuten lässt. Dank dieser falschen Annahme war ich beim ersten Durchblättern nämlich ziemlich irritiert. Curry-Hummus? Revani mit Dinkelmehl? Gegrillter Blumenkohl? Bitte? Hätte ich, wie man das allgemein sowieso tun sollte, zuerst das Vorwort aufgeschlagen, wäre mir folgendes nicht entgangen (ich zitiere die Autorin): ".. Die von mir kreierten Rezepte sind oft sehr einfach, meist in weniger als einer halben Stunde nachgekocht und lassen so jede Menge Zeit zum Geniessen!...." Aha, so ist das also. Darum alle Vorbehalte aus dem Kopf verbannt und noch einmal ganz von vorne angefangen zu lesen.
Erster Eindruck:
Bunt und fröhlich. Mattes Papier, matte Fotos, viele Illustrationen. Alles ist stimmig, ohne gekünstelt zu wirken. Fast jedes Rezept wird durch ein seitenfüllendes Foto begleitet. Die meisten Zutatenlisten sind kurz und beanspruchen samt Anleitungen insgesamt oft nur eine halbe Seite. Ausserdem sind sie sehr übersichtlich gehalten und leicht verständlich beschrieben. Leider wurden die Gerichte nicht durchgehend zweisprachig betitelt, aber das ist nur ein kleiner Minuspunkt. Ausgemerzt wird er sowieso gleich durch den Hinweis, dass das einzige im Buch verwendete Ersatzprodukt Sojajoghurt ist.
Inhalt:
Nach dem Vorwort folgt die Vorstellung der sympathischen Autorin und Bloggerin (mir bis dahin unbekannt), die im Iran geboren wurde und später mit ihrer Familie nach Österreich emigrierte. Auf den nächsten Seiten werden im Glossar die wichtigsten Zutaten in alphabetischer Reihenfolge aufgelistet, zwei persische Reiszubereitungen erklärt und bevor man sich ins Kochvergnügen stürzt, noch Hinweise zu den Mengenangaben im Rezeptteil gegeben. Die folgenden 160 Seiten sind in geographische Kapitel unterteilt: Iran, Armenien, Syrien, Libanon & Jordanien, Ägypten, Marokko und Türkei. Die Reihenfolge der Gerichte in den einzelnen Kapiteln ist der Servierfolge entsprechend: Mezze, Hauptspeisen, Beilagen und Desserts. (Wobei nicht in jedem Kapitel zwingend jede Kategorie vertreten ist). Unsere kulinarische Reise durch den Orient startet also mit einer grossen Mezzeplatte. Empfehlen würde ich euch Mirza Ghasemi (rotes Auberginenmousse), Zitrussalat mit Sumach, Berberitzen und Pistazien, saure Karotten-Torshi, gebackene Mante mit Kürbisfüllung, gebratene Okras, breite Bohnen in Tomatensauce, Tabouleh aus Granatapfelkernen und Äpfeln, karamellisierter Fenchel mit Berberitzen, Relish mit Orangen und Koriander und dazu Khoubiz (libanesisches Fladenbrot, mit 25 Gramm Hefe auf 750 Gramm Mehl zubereitet). Als Hauptgericht hätten wir Baghali Ghatogh (Saubohneneintopf mit Dill) und Auberginen mit Walnuss-Granatapfelfüllung. Als Beilage passen Juwelen-, Safran- oder Linsenreis. Wer es leichter mag, nimmt einfach die gefüllten Tomaten. Im Herbst würde ich euch die Butternusskürbis-Tajine mit Koriander-Dattel-Couscous ans Herz legen und im Winter die gebackene Kartoffel-Kibbeh. Den Abschluss bilden frische Früchte, Zimt-Tee und türkischer Kaffee. Für die Süssschnäbel unter euch hätte ich noch ein Stückchen Mandel-Rosen-Kuchen und Feigen in Sirup. Na, wer möchte als erster bestellen?
Was meint der Magen?
Der Zitrussalat aus Orangen, Grapefruit, Sumach, Berberitzen, Pistazien und Minze hat mich aus den Socken gehauen. Jeder Bissen offenbart eine andere Geschmackskombination, zum Beispiel süss und bitter, sauer und salzig oder minzig und pfeffrig. Wenn Sumach und Olivenöl durch etwas Zitronensaft und zwei Esslöffel Orangenblütenwasser ersetzt werden, wird aus dem Salat im Handumdrehen ein erfrischendes Dessert. Beim Mast' o Khiar (persischer Dip mit Gurke und Rosenblüten) habe ich mir erlaubt, Soja- durch Kuhmilchjoghurt zu ersetzen, da ich Sojajoghurt auf den Tod nicht ausstehen kann. Die Kombination aus Gurke, Knoblauch, Rosinen und getrockneten Rosenknospen ist wohl aber auch mit pflanzlichem Joghurt ziemlich gewöhnungsbedürftig. Nicht schlecht, aber recht speziell. Besonders, da es mit keiner der ausprobierten Beilagen (grillierte Zucchini- und Auberginenscheiben, Tomaten, Paprika und Fladenbrot) wirklich harmonierte. Herr C. hat dafür plädiert, bei einem zweiten Anlauf die Rosinen und Rosenknospen ersatzlos zu streichen. Mein Einwand, dass es dann ein gewöhnliches Tzatziki wäre, hat er freudig nickend quittiert.... Der Mandeldip aus fein gemahlenen Mandelblättchen, Brotkrumen, Knoblauch, Essig und Öl kam wesentlich besser an, wie das Foto beweist:
Die Linsenlaibchen bestehen eigentlich nur aus einer gewürzten Linsen- und Kartoffelmasse. Ich hatte vom Vortag aber noch eine Portion Dinkelreis übrig, die ich frech untergemischt habe. Herr C. hat ein Laibchen probiert, als ganz okay eingestuft, und dann mit Lichtgeschwindigkeit die dazu gehörenden gebratenen Tomatenscheiben weggefuttert. Inklusive den zur Seite gelegten Exemplaren für's Foto... Geheimtipp: Übrig gebliebene Laibchen - doofes Wort, ich weiss - mit Tomatenscheiben und reichlich Sesam-Petersilien-Sauce in ein Brötchen packen und am nächsten Tag als Lunch geniessen.
Fazit:
Ich persönlich finde es grandios, dass in diesem Kochbuch auf jegliche Soja- und vegane Ersatzprodukte (ausser Sojajoghurt) verzichtet wurde. Weit und breit kein Tofu, kein Tempeh, keine Sojaschnetzel, kein Nussmus, kein veganer Käse, kein Liquid Smoke und keine hippen Superfoods wie Goji oder Maca. Fast alle Rezepte basieren auf Gemüse, Hülsenfrüchten und Reis/Kartoffeln/Couscous. Klingt langweilig? Ist es aber definitiv nicht. Ganz im Gegenteil. Darum, und weil das Preis-Leistungs-Verhältnis absolut stimmig ist, bekommt das Buch von mir eine uneingeschränkte Kaufempfehlung.
Zum Abschluss noch das Kleingedruckte: Die in dieser Rezension geäusserten Ansichten und Meinungen sind zu 100% die Meinigen und wurden von niemandem beeinflusst.
Einen ganz herzlichen Dank an den NeunZehn Verlag, der mir freundlicherweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat.
Zum Abschluss noch das Kleingedruckte: Die in dieser Rezension geäusserten Ansichten und Meinungen sind zu 100% die Meinigen und wurden von niemandem beeinflusst.
Einen ganz herzlichen Dank an den NeunZehn Verlag, der mir freundlicherweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat.
11 Kommentare:
Klingt sehr, sehr gut – vor allem der Ersatzprodukteverzicht! Und mit "orientalisch" kriege ich einen gewissen Herrn immer (Die Szene mit dem Tzatziki mit-ohne hätte sich hier übrigens haargenau so abspielen können... ;)). Bloggst Du den Zitrussalat, bitte, bitte?
Ich muss protestiiiiiieren! Tofu ist KEIN Ersatzprodukt, sondern ein in Asien total normales Lebensmittel. Erst, wenn es in einer Carbonara als Ersatz für Speck herhalten muss, wird es dazu dazu degradiert. ;-)
Aber dennoch, mir ist das auch positiv aufgefallen, also dass keine Fleischgerichte "nachgebaut" wurden. Darauf steh ich nämlich so gar nicht (mit Ausnahme von Bolognese). :-)
Ich empfehle dir noch das Spinat-Borani (OBERKNALLER!!) und den Knusperreis, beides supersuper! Den Reispudding hab ich gestern gemacht, ich fand ihn lecker, meine Mitessenden eher nicht so. Hmpf.
Liebe Grüße
Melissa
@ milchmädchen
Das mit dem Zitrussalat ist notiert. Muss ihn bloss noch einmal machen und Fotos knipsen.
@ Melissa
Meinte auch nicht, dass Tofu oder Tempeh Ersatzprodukte sind (aber du hast völlig recht, oft werden sie so eingesetzt). Wollte nur betonen, dass ausser dem Joghurt keine anderen Sojaprodukte zum Einsatz kommen. Der Knusperreis steht auch noch auf der Nachkochliste, aber mein Inder hat Lieferschwierigkeiten. Tilda Basmati ist seit Wochen ausverkauft. hmpf.
Ganz liebe Grüsse zurück
Ach, zur Not nehm' ich den auch unbebildert... :)
Dein Wunsch ist mir Befehl:
3 grosse Orangen und eine rosa Grapefruit filetieren. Saft auffangen und mit 2 El Olivenöl (ich: Pistazienöl), 1 Tl Sumach, Salz und grob gemahlenem (Tellicherry)Pfeffer verrühren. Zitrusfilets mit der Sauce und 3 El getrockneten Berberitzen vermischen und auf einer Platte anrichten. 25 gr ungesalzene Pistazien grob hacken, darüber verteilen. Etwa 10 Blättchen Minze fein hacken oder zerzupfen und damit dekorieren. Schmeckt natürlich noch besser, wenn der Salat vor dem Servieren ein paar Minuten durchziehen darf. Nächstes Mal werde ich versuchsweise den Pfeffer durch 1/2 Tl Urfa Biber ersetzen. Bin gerade total süchtig nach dem Zeug, darum landet es sogar in Brownies und auf dem Frühstücksjoghurt mit Himbeeren.
Das mit den fehlenden Ersatzprodukten macht mich sehr sehr neugierig. Werde Ausschau halten! :-)
Yieha – MERCI!
You're welcome
Hallo cooketeria, danke für diese extrem genaue und detailverliebte rezension. Man merkt, dass auch du experte bist und ich freue mich, dass mein buch deinen maßstäben genügt!
Liebe grüsse aus wien.
Parvin
Huch, jetzt bin ich aber ganz erfreut, dass dir meine Rezension gefällt. :-)
Merci für deine Rückmeldung, die mir ganz rote Ohren beschert hat.
(Bin nämlich keine Expertin, höchstens ein Aficionado, wenn es um orientalische Küche geht).
Wünsche dir und dem Verlag möglichst hohe Verkaufszahlen, und freue mich jetzt schon auf das
nächste Buch aus deiner Feder.
Liebe Grüsse zurück
P.S. Dein Kommentar ist im Spam gelandet, daher die späte Rückmeldung.
kochen ist ein wunderschönes soziales element und kochen verbindet. in diesem sinne, expertin hin oder her...keep on cooking!
#onelove
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