Kein Sommer ohne Tapas und Meze. Egal ob zu Hause oder im Restaurant, die kleinen Häppchen sind in den letzten Jahren richtig hip geworden. Cicchetti und Stuzzichini hingegen führen immer noch ein Schattendasein. Vergesst die oft labbrigen, langweiligen Tramezzini, fettigen Arancini oder gummigen Polpette. Italienisches Fingerfood muss sich keineswegs hinter seinen berühmten Verwandten aus Spanien und dem Orient verstecken. Auf über 250 Seiten haben die beiden Autorinnen Lindy Wildsmith und Valentina Sforza die besten Gerichte en miniature aus ganz Italien zusammengetragen. Cicchetti heisst das Werk und ist das erste Kompendium zu diesem Thema, welches auf Deutsch erschienen ist.
Erster Eindruck:
Das Cover finde ich jetzt nicht soooo wahnsinnig ansprechend. Dunkelbraun assoziiere ich automatisch mit Herbst/Jagdsaison und ein schwarzes Band mit Trauernachrichten. Helle, frische Farben und ein sommerlich gedeckter Tisch hätten meiner Meinung nach besser gepasst. Die ganzseitigen Fotos im Innern gefallen mir schon wesentlich besser, auch wenn leider nur etwa die Hälfte der Rezepte bebildert ist. Die Seiten sind farbig hinterlegt, was der Lesbarkeit aber keinen Abbruch tut.
Inhalt:
Nach der Einleitung folgt gleich eine Anleitung, wie die Gerichte gehandhabt werden sollten. Venezianische Cicchetti sind eine Besonderheit, denn meist sind sie nur innerhalb der Stadtgrenze zu finden. In der Umgebung, dem Veneto, stehen dafür ganz andere Kleinigkeiten auf den Speisekarten. Cicchetti sind ausserdem keine Solokünstler, sondern immer Teil einer aufeinander abgestimmten Auswahl. In den anderen Regionen Italiens werden die Häppchen Stuzzichini genannt und sind eher bodenständig. Sie sind oft sättigender und werden in der Regel einzeln serviert. Viele der vorgestellten Rezepte sind verkleinerte Gerichte der jeweiligen Regionalküche und können auch als Vorspeise gereicht werden. Oder man ergänzt sie mit Salat zu einem kleinen, aber feinen Mittag- oder Abendessen. Den Anfang macht der venezianische Teil des Buches. Die Kapitel sind unterteilt in Pescheria (Fisch & Meeresfrüchte), La Drogheria (Käse, Wurst, Eier), L'Erbaria (Gemüse), La Beccheria (Fleisch) und Il Bacaro (Getränke).
Torta pasqualina ohne Teigdeckel
Der zweite Teil nimmt uns mit auf eine kulinarische Reise durch die restlichen Regionen Italiens. Abruzzen & Molise sind beispielsweise vertreten mit Cipolline al cacao (mit Kakao bestäubte Perlzwiebeln), die Basilikata mit feinen Ciauredda (pikante Gemüsecrostini) und Kalabrien mit Involtini di melanzane (gefüllte Auberginenröllchen). In Apulien machen wir einen Halt für Pizzelle di cozze (Miesmuscheln mit Basilikum) und in Kampanien dürfen wir uns die Uova stracciate alla napoletana (Omelette mit Anchovis und Tomaten) nicht entgehen lassen. Die Gegend um Rom, Latium, ist berühmt für ihre Lebergerichte, wie beispielsweise Fegato ripieno all'antica Roma (mit Feigen gefüllte Leberröllchen). Auf Sizilien sind Capperi fritti (frittierte Kapern) ein beliebter Snack zu kühlem Weisswein, auf Sardinien greift man lieber zu Empanadas di pesce (Fischpastetchen). In der Toskana lassen wir die altbekannten Crostini für einmal links liegen und wenden uns lieber der Torta di nasello (Seehechtcake) zu. Aus Umbrien kommen die Arvoltori di Perugia (Pfannkuchen mit Pancetta und Rosmarin), die nur noch knapp ein Plätzchen im Magen finden. Darum packen wir in der Emiglia-Romagna die Biscotti al parmigiano (Parmesankekse) für später ein und bedauern, dass uns in Ligurien die Erbe Fritte (frittierte Kräuter) entgehen werden. Die lombardischen Crostatine di zucca (Kürbistartelettes) fallen saisonbedingt aus, dafür gönnen wir uns im Piemont noch eine Scheibe Focaccia di Patate (Kartoffelfocaccia), und im Trentino die Tortellini con crauti (Krauttörtchen), weil "crauti" einfach so niedlich tönt. Noch schnell im Friaul ein paar Mandorle speziato (Gewürzmandeln) verdrücken, und zum Abschluss gönnen wir uns Tortino di acciughe con verdura (Tarte mit Anchovis und Gemüse) aus den Marken. Wer jetzt noch einen Espresso schafft, hat gewonnen. :-)
Tortine al formaggio di Campobasso
Was meint der Magen?
Herr C. befand die Torta pasqualina in der abgespeckten, sommerlichen Version mit Blätterteig für wiederholungswürdig. Der mit Gorgonzola überbackene Chicorée (statt Radicchio) bekam ebenfalls seine ungeteilte Zustimmung. Die Spargelmayonnaise mit gehacktem Ei auf Baguette gefiel uns beiden sehr gut, genau so wie die Käsetaschen mit Ricotta-Minze-Füllung. Bei diesem Gebäck musste ich allerdings auf einen anderen Teig ausweichen, da ich die Tortine im Ofen gebacken und nicht frittiert habe. Ausserdem begeisterte mich die Polenta mit Wurst und Kohl, die wegen ihrer Üppigkeit aber als Hauptgericht einzustufen ist. Den Abschluss des Testmenüs bildete ein mit Kümmel aromatisierter Grappa, der den Herrn des Hauses zu einem mittelschweren Hustanfall nötigte. Interessante Kombination, aber der Negroni aus Vermouth, Campari und Gin kam bei uns als Digestif wesentlich besser an.
Fazit:
Trotz der grossen Bandbreite der Gerichte, finde ich die im Buch enthaltenen Rezepte generell zu fleisch- und fischlastig. Mehr vegetarische und vegane Häppchen wären nicht verkehrt gewesen, ebenso eine durchgehende Reduzierung der Hefemengen und ein Register mit den italienischen Bezeichnungen. Alles in allem ein hübsches, empfehlenswertes Kochbuch für (fast) alle Gelegenheiten.
Zum Abschluss noch das Kleingedruckte: Die in dieser Rezension geäusserten Ansichten und Meinungen sind zu 100% die Meinigen und wurden von niemandem beeinflusst.
Einen ganz herzlichen Dank an den Jacoby & Stuart Verlag, der mir freundlicherweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat.
Zum Abschluss noch das Kleingedruckte: Die in dieser Rezension geäusserten Ansichten und Meinungen sind zu 100% die Meinigen und wurden von niemandem beeinflusst.
Einen ganz herzlichen Dank an den Jacoby & Stuart Verlag, der mir freundlicherweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat.
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