Dienstag, 5. Mai 2015

Rezension: Yemek - Rezepte aus Istanbul


Einige von euch wissen vielleicht, dass ich eine ganz spezielle Beziehung zur Türkei habe. Wenn das Wörtchen "wenn" nicht wäre, würde ich heute im Sommer an der Westküste leben und während der kalten Jahreszeit in Istanbul. Tja, es sollte halt nicht sein. Doch lassen wir die Vergangenheit ruhen, reden wir lieber vom Essen. Denn die türkische Küche hat weit mehr zu bieten als Döner, Lahmacun und Pide, wie uns das Buch Yemek aus dem Edel Verlag beweist.

Erster Eindruck:
Frisch, fröhlich, farbenfroh. Ein Eyecatcher, der das Kind in mir weckt. Die Kombination aus bunten, spielerisch arrangierten Lebensmitteln und dem Untertitel "Rezepte aus Istanbul" lässt nur noch einen Gedanken zu: Meins! Her damit!

Inhalt:
Im Innern geht es genau so vielfarbig weiter. Die Kapitel sind unterteilt in Morgen, Mittag, Nachmittag, Abend und Nacht. Ein kulinarischer Tag in Istanbul könnte dann wie folgt aussehen: Morgens starten wir mit Menemen (gebratenem Gemüse mit Eiern) und Pogaça (Dillbrötchen mit Fetafüllung). Mittags gibt es Mücver (Zucchinipuffer), Mercimek köftesi (Linsennocken) und Mahmudiye yemegi (Hühncheneintopf mit getrockneten Aprikosen). Die türkische Tea Time am Nachmittag versüssen uns Gül böregi (Börekschnecken) und Tel kadayif (Engelshaar). Abends geht es weiter mit Fava (Bohnenpüree) und Acili ezme (Tomatensalat mit Kräutern) als Meze, gefolgt von Hünkar begendi (Lammragout auf Auberginenbéchamel). Nachts, nach dem Discobesuch, gibt es noch eine Cevizli lahmacun (Nusspizza) auf die Hand, denn nach der Völlerei verzichten wir auf's Taxi und gehen zu Fuss. Fast alle Rezepte sind mit einem Foto garniert, zwischendurch eingestreut sind Doppelseiten mit Impressionen aus Istanbul. Schlimmes Fernweh lässt grüssen. 

Was mir hingegen nicht besonders gefällt, sind die vielen verschiedenen Schrifttypen, -grössen und -farben. Wirkt irgendwie chaotisch und nach einiger Zeit leicht nervig. Leider gibt es noch ein paar andere Kleinigkeiten, die den Lesegenuss stellenweise ein wenig trüben. Beispielsweise wird Kaymak (eingedickter, streichbarer Doppelrahm) ohne zusätzliche Erklärung einfach mit "Rahm" übersetzt. Normaler, flüssiger Rahm bzw. Sahne kann Kaymak aber nur in den seltensten Fällen ersetzen. Ein weiteres Beispiel: Der Kaffee wird mit zwei Teelöffeln Pulver pro Mokkatasse (!) gekocht. Diese Menge hätte meine Fastschwiegermutter garantiert ins Grab befördert. Einerseits, weil er so zubereitet quasi ungeniessbar ist, und andererseits bleibt kaum Flüssigkeit zum Ausschenken übrig. Ein Löffel Pulver pro Tasse, und ab vier Personen noch einen Löffel voll für die Kanne, sind völlig ausreichend. Yenidünya (Nespole - Eriobotrya japonica) sind nicht mit unseren einheimischen Mispeln (Mespilus germanica) verwandt, auch wenn das immer wieder fälschlich behauptet wird. Fröhlich wird vorgeschlagen, statt getrocknete Nanaminze könne man auch Pfefferminze aus einem Teebeutel verwenden... Absolutes NO-NO-NO-GO! Genau so wie Fava aus D-o-s-e-n-b-o-h-n-e-n. Nope. Unerklärlicherweise werden die Tomaten für den Tomatenkräutersalat zwar enthäutet, die Kerne und das schlabberige Innere aber nicht entfernt. Hefe wird, wie so oft, völlig überdosiert. Neun Gramm Trockenhefe auf 350 Gramm Mehl für Pizzateig, und ein Würfel Frischhefe auf eine halbes Kilo Mehl für Pide sind eindeutig viel zu viel des Guten. Und ich kann nur hoffen, dass die im Glossar aufgeführten Glasnudeln als Ersatz für Kadayif als Witz gemeint sind. Schon klar, ich meckere hier auf hohem Niveau, aber nobody's perfect. 

Was meint der Magen:
Beim Ausprobieren hatte ich leider kein glückliches Händchen. Nur ein Rezept konnte mich komplett überzeugen, die anderen vier gingen mehr oder weniger in die Hose. Die Gözleme mit Kartoffel- und Spinatfüllung waren, strikt nach Anleitung zubereitet, total fade. Kartoffeln und Spinat werden ohne Salz gekocht und so wie es sich liest, schmeckte es auch. Die Verkostung der Açma-Brötchen war ähnlich enttäuschend, da die Hefe bei der vorgeschriebenen Behandlung den Dienst verweigerte. Laut Rezept wird die Milch erwärmt, Puderzucker und zerbröckelte Hefe eingerührt und in der Hefemilch noch die Butter geschmolzen. Erwartungsgemäss ging dann gar nichts mehr, denn Hefe sollte nie direkt mit Fett in Berührung kommen. Nach vier Stunden Wartezeit, in der der Teig sich keinen Millimeter rührte, musste ich nochmals Hefe untermischen. Die dominierte dann den Geschmack, deshalb landeten die meisten Brötchen am nächsten Tag auf dem Kompost. 

Eckige Açma mit Olivenfüllung

Die Yufka-Apfelröllchen werden mit Tahin Helva zubereitet. Diese typisch türkische Süssigkeit gab es nirgends ohne unerwünschte Zusatzstoffe, zum Glück fand ich eine kleine Packung mit 200 Gramm Inhalt (Normalgrösse ist 400 Gramm). Zum Vergleich rührte ich Sesammus mit Puderzucker glatt und buk die Hälfte mit dieser Mischung. Bei der Verkostung fiel die Variante mit Helva durch, die Röllchen hatten einen komisch muffigen Beigeschmack. Als letztes versuchte ich die Nusspizza, der ich allerdings ein paar kleine Änderungen (z.B. Reduzierung der Hefemenge) angedeihen liess. Die Pizzen waren mein persönliches Highlight. Sogar Herr C. fand sie richtig gut, besonders zu einem Rucolasalat.

Fazit:
Gemischt. Optisch würde ich das Buch mit gut bis sehr gut bewerten. Rezepttechnisch sehe ich es eher im mittleren Bereich, also mehr für Anfänger oder Einsteiger. Wer zum Beispiel keine Probleme damit hat, Bohnen und Kichererbsen aus der Dose zu verwenden, der wird mit diesem Kochbuch viel Freude haben.

Zum Abschluss noch das Kleingedruckte: Die in diesem Artikel geäusserten Ansichten und Meinungen sind zu 100% die Meinigen und wurden von niemandem beeinflusst. Einen ganz herzlichen Dank an den Edel Verlag, der mir freundlicherweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat.


4 Kommentare:

milchmaedchen hat gesagt…

Lieben Dank für Deine ehrliche Rezension! Freundschaftlichkeit unter Bloggern in allen Ehren – aber bei vielen der so genannten "Rezensionen" von Foodblogger-(Koch-/Back-)Büchern bleibt die Kritik – die schließlich sowohl positiv als auch negativ ausfallen kann – m. E. zu oft auf der Strecke. Und die Punkte, die Du anführst, haben mich just auch an einem (anderen) Buch gestört.

Schöne Grüße!

Anonym hat gesagt…

Deine Rezension bestätigt den Eindruck, den ich beim ersten Blättern hatte. Ich frage mich nur immer wieder, wie es zu so eklatanten Fehlern in Koch und Backbüchern kommen kann. Sehr, sehr rätselhaft...

Cooketteria hat gesagt…

@ milchmädchen
Für mich macht es keinen Unterschied, ob es sich beim Autor um einen Foodblogger, Sternekoch oder Baggerfahrer handelt. Für mich zählt nur die Praxistauglichkeit eines Kochbuches. Kleine (Druck)Fehler sind entschuldbar, aber unausgegorene Rezepte eine ganz andere Sache. Mitunter drängt sich bei gewissen Büchern halt leider der Verdacht auf, dass manche Rezepte nicht vom Autor/der Autorin selbst stammen bzw. getestet wurden. Anders kann ich mir solche groben Schnitzer, wie mit der Hefe und der Butter, nicht erklären. Ich versuche bei meinen Rezensionen immer hervorzuheben, was mir gefallen hat, sehe aber keinen Grund, Missfälliges und Fehler zu unterschlagen. Mein Verhalten scheint anzukommen. Meine ich zumindest. ;-)

Ganz liebe Grüsse zurück

@ kochpoetin
Bin immer froh, wenn jemand meinen Eindruck bestätigt. Egal, ob positiv oder negativ.

milchmaedchen hat gesagt…

Genau das meine ich – SO und nicht anders soll(te) es sein :). Und es ist schön zu wissen, dass jemand anders das auch genau so aufschreibt...