Während meiner Grundschulzeit waren Hermann-Kuchen schwer en vogue und bei Geburtstagspartys ein fester Bestandteil des Kuchenbuffets. Jede Mutter, die etwas auf sich hielt, verteilte massenhaft Teigportionen mit einem Hermann-Brief dazu. Auch ich brachte immer mal wieder ein Säckchen Hermann nach Hause, sehr zum Leidwesen meiner Frau Mama. Denn die Schüssel mit dem Teig nahm im kleinen Familienkühlschrank immer viel zu viel Platz weg. Irgendwann hatten die meisten Leute den Hermann satt. Auch meine Frau Mama konnte das Zeug nicht mehr sehen. Der letzte Hermann-Teig wurde verbacken und seinen Platz im Kühlschrank nahmen selbst eingelegte Heringe ein.
Wahrscheinlich hätte ich nie wieder an Hermann gedacht, wenn mir nicht vor einigen Tagen ein alter Hermann-Brief in die Hände gefallen wäre. Beim Durchwühlen einer Kiste mit Erinnerungsstücken lag er zwischen einem Liebesbrief (Liebst du mich? Ja oder nein? Bitte zutreffendes ankreuzen) und selbst gezeichneten Comics (Inspektor Blondschwein). Aus Nostalgie beschloss ich, dem Hermann ein Revival zu gönnen.
Ansatz:
- 100 gr Mehl
- 20 gr Zucker
- 150 ml kaltes Wasser
- 1/2 Päckchen Trockenhefe
Alle Zutaten in einer Tupperware-Schüssel (mind. 2 Liter Fassungsvermögen, nicht allzu dicht schliessender Deckel) mit dem Rührbesen zu einem klümpchenfreien Teig mischen. Deckel drauf und 48 Stunden in der Küche stehen lassen. Zwei Mal pro Tag umrühren. Nach den ersten zwei Tagen im Kühlschrank aufbewahren, denn sonst könnte die Milchsäuregärung in Essigsäuregärung umschlagen. Und das wäre nicht nett, weil der Teig dann entsorgt werden muss.
1. Tag: Umrühren
2. Tag: Umrühren
Teig ging mehrmals stark auf und fiel wieder zusammen
3. Tag: Umrühren
Im Kühlschrank ging der Teig nicht mehr so stark auf, begann aber "hefiger" zu riechen
4. Tag: Umrühren
Wasser setzte sich auf der Oberfläche ab. Kein Grund zur Besorgnis, das ist völlig normal.
5. Tag: Mit 100 gr Mehl, 40 gr Zucker und 150 ml Wasser füttern
Teig riecht stark "hefig" und ganz leicht säuerlich.
Die nächsten Tage habe ich keine Fotos gemacht, da der Teig sich gleich verhalten hat, wie in den Tagen zuvor. Der "hefige" Geruch verstärkte sich, ist aber keineswegs unangenehm.
6. Tag: Umrühren
7. Tag: Umrühren
8. Tag: Umrühren
9. Tag: Umrühren
10. Tag: Mit 100 gr Mehl, 40 gr Zucker und 150 ml Wasser füttern.
Danach den Teig in vier Portionen teilen (jeweils etwa 200 Gramm). Einen Teil verschenken, einen Teil einfrieren, einen Teil verbacken und den vierten Teil als Ansatz verwenden. Also wieder bei Tag eins starten. Wem das zu aufwendig ist, der kann alle vier Portionen einfrieren, nach Bedarf verbacken und irgendwann einen neuen Ansatz herstellen.
Nach einigen Recherchen im Internet stellte sich heraus, dass mein Teig anscheinend kein Hermann, sondern ein Siegfried ist. Unterschied: Hermann wird mit mehr Zucker und Milch gefüttert und für süsse Kuchen verwendet. Siegfried hingegen eher für salzige Kuchen, Hefegebäck und Brot.
Nichtsdestotrotz wurde aus dem Hermann/Siegfried ein leckerer Kuchen. Das Rezept für den Schattenmorellen-Schoko-Kuchen findet ihr
hier.