Sandor Ellix Katz ist DER Fermentationsguru aus den USA. Seine zwei bisher erschienen Bücher Wild Fermentation und The Art of Fermentation sind Standartwerke zu diesem Thema. Ersteres besitze ich schon länger als E-Book, das zweite seit letztem Herbst in gedruckter Form. Obwohl meine Englischkentnisse normalerweise ziemlich ausreichend sind, kam ich bei mehreren Textstellen leicht ins Schleudern. Liegt wohl auch daran, weil ich in Chemie den Fensterplatz in der hintersten Reihe belegt hatte. Ich kann mich nicht einmal mehr daran erinnern, ob die Lehrperson männlich oder weiblich war. Ähem.... Zurück zum Thema. Jedenfalls hatte ich in diesem Post schon einmal meiner Hoffnung Ausdruck verliehen, dass beide Bücher möglichst bald auf Deutsch erscheinen. Der Kopp Verlag hat meinen Wunsch erhört und letztes Jahr erschien So einfach ist Fermentieren, die Übersetzung von Wild Fermentation. Auf meine Anfrage hin wurde mir freundlicherweise völlig unkompliziert ein Rezensionsexemplar überlassen.
Nachdem ich etwa ein Drittel des Buches gelesen hatte, begann die anfängliche Begeisterung ein wenig abzuebben. Ich fand mehrere Übersetzungsfehler, die mit ein bisschen mehr Sorgfalt vermeidbar gewesen wären. Beispielsweise wird Kapuzinerkresse, trotz botanischer Bezeichnung und Illustration, fälschlich als Brunnenkresse aufgeführt. Monarda didyma ist der lateinische Name für Goldmelisse. Orangen- und Zitronenmelisse gehören zwar auch zur Familie der Lippenblütler, können aber weder geschmacklich noch farblich die Blütenblätter der Goldmelisse ersetzen. Ein weiteres Beispiel: Farmer Cheese, ein einfacher Frischkäse, ist definitiv kein Hüttenkäse. Weiter hinten im Buch werden Diospyros virginiana erwähnt, die einen hässlichen adstringierenden Nachgeschack haben, wenn sie unreif gegessen werden. In diesem Fall handelt es sich also um eine Kakisorte und nicht um Persimonen. Bezeichnungen wie ungebleichtes Mehl und gerollte Haferflocken sind nicht völlig falsch, da sie Wort für Wort übersetzt wurden. Aber sie sind für uns Mitteleuropäer trotzdem unverständlich bzw. sinnbefreit, da hier erhältliches Mehl nicht gebleicht wird (das ist eine amerikanische Unsitte) und Haferflocken durch den Zusatz "zart" oder "grob" unterschieden werden. Steel Cut Oats ist übrigens die amerikanische Bezeichnung für Haferschrot. Es ist keine Flockenart, wie im Buch angegeben. Bei solchen Schnitzern drängt sich leider der Verdacht auf, dass die Übersetzerin sich sonst nicht allzu häufig mit kulinarischen Themen befasst.
Aber bitte lasst euch von der obigen Aufzählung nicht abschrecken, denn als Gesamtpaket ist das Buch die richtige Lektüre für alle, die eine undogmatische Einführung zum Thema Fermentation suchen. Es ist sehr persönlich gehalten, man erfährt einiges über den Autor, seine Freunde und seine spezielle Lebensart in einer kleinen, abgeschiedenen Kolonie. Die Rezepte und Anleitungen sind allerdings nichts für Leute, die ohne exakte Angaben nicht auskommen können. Abgewogen wird nur selten. Meistens werden die Zutaten in Hohlmassen angegeben, was beispielsweise bei Bohnen, Löwenzahn oder Zwiebeln reichlich exotisch wirkt. Herr Katz scheint am liebsten mit dem Messbecher zu hantieren, und das bei der Vielzahl der verwendeten Zutaten auf eine Übertragung in Gramm und Kilo verzichtet wurde, ist verständlich. Vielleicht verringert es sogar die Berührungsangst, denn ein paar Gramm mehr oder weniger beeinflussen normalerweise den Fermentationsprozess in keinster Weise. Ausnahme: Salzmengen sollten penibel eingehalten werden. Der Autor empfiehlt, sich einfach ins Vergnügen zu stürzen, mutig zu sein und falls es wider Erwarten nicht geklappt hat, nochmal von vorne anzufangen. Man soll sich auch nicht einfach blind auf die Angaben im Buch verlassen, sondern wird aufgefordert, alle zur Verfügung stehenden Sinne einsetzen. Schmeckt der äthiopische Honigwein angenehm? Sind die eingelegten Dillgurken knackig oder weich? Ist die Lake klar oder getrübt? Knistern die Bläschen, wenn das Glas mit dem Ingwerbug bewegt wird? Fermentieren ist keine exakte Wissenschaft, nur durch experimentieren, beobachten und ständiges Probieren kann man sich auf diesem Gebiet weiterbilden. Und genau das ist der Spass daran. Wie ein Chemiebaukasten für kulinarisch interessierte Tüftler, falls es so etwas geben würde. Ein weiterer angenehmer Nebeneffekt ist, dass die meisten fermentierten Lebensmittel länger haltbar sind als in ihrem Urzustand. Ob sie auch eine positive Auswirkung auf die Gesundheit haben, lasse ich an dieser Stelle offen. Sandor E. Katz ist jedenfalls felsenfest davon überzeugt. Apropos Gesundheit: Ich würde seinen Ratschlag, eventuell auftauchenden Schimmel einfach abzuschöpfen, mit Vorsicht geniessen. Dieses Vorgehen ist nicht ganz unumstritten und sollte nur von erfahrenen Fermentierern angewendet werden.
Fazit: Als Einstieg zum Thema Fermentation empfehlenswert. Wer grammgenaue Mengenangaben und narrensichere Anleitungen braucht, sollte sich lieber Milchsauer eingelegt von C. Lorenz-Ladener besorgen.
Zum Abschluss noch das Kleingedruckte:
Die in diesem Artikel geäusserten Ansichten und Meinungen sind zu 100% die Meinigen und wurden von niemandem beeinflusst. Einen ganz herzlichen Dank an den Kopp Verlag, der mir freundlicherweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat.
9 Kommentare:
Eine offensichtlich persönliche Meinung zu diesem Buch, die Du sehr gut erklärst. Und offensichtlich hast Du in der Botanik umso besser aufgepasst :-)
Hast Du schon eine der Rezeptideen umgesetzt?
Liebe Grüsse aus Zürich,
Andy
Och, irgendwann muss sich meine Biologie-Matur doch auszahlen. :-)
Ich habe vor Jahren dank diesem Buch begonnen, mich mit den verschiedenen Fermentierungsmöglichkeiten auseinanderzusetzen. Ausprobiert habe ich im Laufe der Zeit den Essig aus Apfelschalen, den Ananasessig, Nuka-Pickles, diverse Experimente mit Kefir, Injera, Labkäse und diverses milchsaures Gemüse. Allerdings fand das alles statt, bevor ich anfing zu bloggen, darum habe ich das im Text nicht erwähnt. Kann heute nicht mehr nachvollziehen, wie genau ich mich damals an seine Rezepte bzw. Anleitungen gehalten habe. Rezepttechnisch verwende ich heute eher andere Bücher, falls überhaupt. Die Rezension eines solchen Buches folgt dann nächste Woche.
Und natürlich liebe Grüsse zurück.
Liebe Cooketteria,
auf der Suche nach einem Buch, in dem es vor allem ums Fermentieren einzelnen Sorten von Getreide, Pseudogetreide und Hülsenfrüchten geht (Reis, Hirse, Nacktgerste, Nackthafer, Kamut, Quinoa, Amaranth, Buchweizen, Linsen, Bohnen, usw.), bin ich natürlich auch auf die Werke von Sandor E. Katz gestoßen. Da ich mit meinen Englischkenntnissen bei "Art of Fermentation wahrscheinlich nicht weit kommen werde, käme für mich nur die deutsche, abgespeckte Version in Frage...
Allerdings möchte ich das Buch nicht kaufen und dann enttäuscht feststellen, dass das, was wonach ich suche, gar nicht drinnen vorkommt...
Daher wäre ich dir sehr dankbar, wenn du mir verraten könntest, ob es darin (auch) um mein zu Beginn erwähntes Anliegen geht oder ob (fast) nur Fermentation von z.B. Gemüse, Milchprodukte, etc. vorkommt.
Liebe Grüße,
Mirjam
Liebe Mirjam
Zuerst: "The Art of Fermentation" (das viel umfangreichere Werk) wurde noch nicht übersetzt. Das oben vorgestellte Buch ist die Übersetzung seines Erstlings "Wild Fermentation", welches nur eine Einführung, aber keine echte Vertiefung in das Thema Fermentation bietet (so wie das zweite Buch). Ich habe es gerade nicht zur Hand, meine aber, dass es ausser Anleitungen für Sauerteig (z.B. Injera), richtiges Einweichen und Bier nicht viel mehr mit Getreide/Hülsenfrüchten zu bieten hat.
Auf welche Art oder warum genau möchtest du denn Getreide, Pseudogetreide und Hülsenfrüchte fermentieren? Beispielsweise in Form von Getränken (mit oder ohne Alkohol), in Form von Sauerteig oder als Sprossen (z.B. Rejuvelac)? In "The Art of Fermentation" existiert ein ganzes Kapitel über die Fermentation von Getreide und stärkehaltigen Knollen und ein weiteres über die Fermentation von Bohnen, Samen und Nüssen. Zusammen sind das über 40 Unterkapitel (Getränke nicht eingerechnet). Die Spannweite reicht von Porridges (z.B. aus Sorghum, Hirse, Kartoffeln), Atole, Grits/Polenta, Appam, Kishk, Idli, Dosa und Miso bis hin zu Natto.
Würde dir gerne weiterhelfen, aber dafür musst du das Gebiet ein wenig eingrenzen.
Ganz liebe Grüsse
Vielen Dank für deine Antwort!
Ok, so genau wusste ich über die Werke nicht Bescheid.
Mein Interesse hat vor allem ernährungsphysiologische und gesundheitliche Gründe. Da du die Werke von Sandor ja kennst, weißt du ja welche Vorzüge und welchen "Sinn" Fermentieren hat. :-)
Auf welche Art oder warum genau möchte ich also Getreide, Pseudogetreide und Hülsenfrüchte fermentieren:
Um sie für meinen angeschlagenen Verdauungstrakt optimal/besser verwertbar zu machen, um die darin enthaltenen Lektine, Pytinsäure, etc. weitestgehend zu "entfernen", usw.
Porridges interessieren mich bspw. sehr, da ich abends oft eingeweichtes (ca. 24 Std.) und anschließend gekochtes (Pseudo)Getreide mit ebenso eingeweichten+gekochten Hülsenfrüchten esse.
Sprossen ziehe ich auch hin und wieder.
Sauerteige noch nie gemacht, da ich viel wert auf "nasse" Zubereitung (also kochen oder dampfgaren) lege und die meisten Teige ja gebacken werden, also mit trockener Hitze zubereitet werden. Aber generell hätte ich nichts gegen Sauerteig. :-)
Viele der genannten Begriffe, wie z.B. Atole, Grits/Polenta, Appam, Kishk, Idli, Dosa,... sind mir noch gar nicht bekannt. :-/
Ich freue mich sehr auf deine Nachricht!
P.S. würde es dir was ausmachen, wenn wir per E-Mail weiter schreiben?
P.P.S. Was meinst du mit "richtiges einweichen"?
Mirjam
Liebe Cooketteria,
ich erwarte sehr hoffnungsvoll deine Nachricht, jedoch kommt keine Reaktion mehr, so dass ich mir Sorgen mache, ob ich was "falsches" gesagt/gefragt habe?
Ganz lieben Gruß,
Mirjam
Hallo Mirjam
Meine Mailadresse war zuerst einen Tag und jetzt nochmal zwei Tage hier veröffentlicht.
Musste beide Kommentare wieder löschen, da der Spamanteil wieder sprunghaft angestiegen ist.
Falls du mich doch noch kontaktieren möchtest, bitte nochmals hier melden und dann innerhalb von
24 Stunden per Mail.
Glg
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