Wir wohnen offiziell in einem stadtnahen Quartier, doch es kommt uns oft so vor, als würden wir mitten auf dem Land wohnen. Beispielsweise dann, wenn die Schlehen in voller Blüte stehen. Nur ein paar Schritte von unserer Wohnung entfernt, wachsen an einem kleinen Abhang mehr als zwanzig Büsche und Bäume, die zur Zeit einen himmlischen Duft verströmen. Letzte Woche konnte ich mich nicht mehr beherrschen und musste ein paar Handvoll ernten. Das geht übrigens ganz einfach. Mit der linken Hand einen Ast fest halten, sanft nach unten ziehen und mit der rechten Hand die Blüten von oben nach unten abstreifen. Anmerkung von Herrn C.: Linkshänder verfahren natürlich umgekehrt. So easy kann innerhalb von fünf Minuten ein halbes Knischtersäckli (Frühstücksbeutel) gefüllt werden, was in etwa 150 Gramm Blüten entspricht.
Zu Hause sortierte ich meine Beute und wog sie. In dem äusserst interessanten Büchlein "Wildblüten- und Kräutergelées" empfehlen die Autoren, 100 Gramm Schlehenblüten in 700 ml Apfelsaft ziehen zu lassen. Das erschien mir sehr knapp bemessen, trotzdem probierte ich es aus. Es war tatsächlich zu wenig Saft, um alle Blüten zu bedecken. Ich brauchte 350 Milliliter mehr, also insgesamt 1,4 Liter Apfelsaft für 150 Gramm Schlehenblüten. Sie durften dann 15 Stunden bei ca. 10 Grad auf der Terrasse mazerieren. Über Nacht hatte sich der Saft rötlich verfärbt und duftete sehr blumig. Der Geschmack des fertigen Gelées ist blumig-fruchtig, es erinnert nicht nur vom Aussehen her an Quittengelée und ist doch ganz anders. Herrlich! Für mich DIE Entdeckung in Sachen Blütengelées. Die abgesiebten Reste dufteten übrigens noch so stark, dass ich sie gleich wieder in ein Einmachglas verfrachtete und mit Apfelessig übergoss. Der Essig hat sich ebenfalls rötlich verfärbt und den Duft gut angenommen. Nach einer Woche abgiessen und durch einen Kaffeefilter laufen lassen. In Flaschen abfüllen und möglichst kühl und dunkel lagern.
Für ca. 1,3 Liter köstlichstes Gelée:
- 150 gr Schlehenblüten*
- 1,4 Liter Apfelsaft
- Saft einer Zitrone
- 750 gr Zucker
- 2 Beutel Bio-Gelierhilfe 2:1**, ausreichend für 1,5 Liter Flüssigkeit
Blüten kontrollieren. Ästchen, Blätter und Insekten aussortieren. Nicht waschen, dadurch würde viel vom Aroma verloren gehen. In ein grosses Einmachglas geben und mit dem Apfelsaft übergiessen. 10-12 Stunden bei Zimmertemperatur oder 15 Stunden (evt. auch länger) an einem kühlen Platz ziehen lassen. Alles in ein Geléetuch geben, Flüssigkeit auffangen und die Blüten 10 Minuten abtropfen lassen. Oder zuerst in ein nicht zu feines Sieb schütten und die Flüssigkeit danach durch Kaffeefilter laufen lassen. Der Saft sollte klar sein, kleinste Partikel machen aber auch nix. In einen grossen Topf leeren, den Saft der Zitrone zugeben. Zucker mit dem Gelfix mischen und ebenfalls in den Topf geben. Unter ständigem Rühren zum Kochen bringen. Abschäumen und genau 5 Minuten sprudelnd kochen. Heiss in sterilisierte Gläser füllen, Deckel zudrehen und wer mag, einige Minuten auf den Kopf stellen. Ich füllte 2 Gläser à 250 ml, 1 Glas à 200 ml, 2 Gläser à 125 ml und 5 kleine Gläser à 50-75 ml. Übrig blieben etwa 3-4 Esslöffel voll, die ich in ein kleines Schälchen goss. Gläser langsam abkühlen lassen. Wenn sauber gearbeitet wurde, ist das Gelée mindestens sechs Monate haltbar. Nach dem Anbruch vorzugsweise im Kühlschrank aufbewahren.
*Am späten Abend oder Vormittag ernten, dann duften sie am intensivsten. Nach einem Regenguss mindestens 24 Stunden warten und nur zugreifen, wenn die Blüten noch vollständig sind. Idealer Zeitpunkt: Der Grossteil der Blüten ist voll aufgeblüht und es sind nur noch ganz wenige ungeöffnete Knospen sichtbar. Wenn die weissen Blütenblätter beginnen abzufallen, ist es zu spät. Dann lieber bis zum nächsten Jahr warten oder sein Glück an eine höher gelegenen Stelle versuchen.
** Kann natürlich durch die entsprechende Menge Gelierzucker 2:1 ersetzt werden. Ich bevorzuge die kleinen Päckchen, weil sie nicht viel Platz im Vorratsschrank brauchen. Normaler Zucker plus Unigel, reines Apfelpektin oder eine andere Einmachhilfe funktioniert natürlich auch, dann allerdings die Dosierung entsprechend der Anleitung auf der Packung anpassen. Ohne Pektin geht's allerdings nicht, dann würde das Gelée flüssig bleiben.
Und weil das Gelée so aussergewöhlich lecker ist, geniesse ich es am liebsten ohne Brot, direkt vom Löffel. Deshalb wandert dieser Beitrag auch gleich rüber zu Zorra und Petra, wo Lieblingslöffelessen gesucht wird. (Foto mit dem Lieblingslöffel aus Kyoto wird nachgereicht, er ist gerade unauffindbar. *sniff*)
5 Kommentare:
Wenn in diesem Jahr die Schlehen blühen, weisst Du wo Du mich findest ;) Das klingt sehr nachahmungswert ;) Wenn Du den Löffel findest, dann bitte das Foto nachreichen :)
Sobald er wieder auftaucht, wird er gleich abgelichtet und hier präsentiert. Wahrscheinlich hat er sich im Garten versteckt. Hoffe ich zumindest.
Du begeisterst mich heute mal wieder! Danke für diese traumhafte Idee. Schlehen mag ich ja gerne, und die Blüten der Buschlinien, die in unserer Region die Felder verschönern , mag ich sehr. Bisher kam ich noch nie auf die Idee, dass man aus den Blüten etwas machen kann. Das wird dieses Jahr ausprobiert! :-)
Wow, wusste auch nicht, dass Schlehenblüten gelieren dermaßen zu begeistern wissen. Muss ich mich direkt mal auf die Suche machen.
@ Barbara
Dankeschön *ganz rot werd*
@ multikulinaria
Dann aber hurtig, bei uns in der Umgebung sind sie alle schon verblüht. Ich drück' dir mal vorsorglich die Daumen für deine Suche.
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