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Montag, 17. März 2014

Joghurtstarter aus Holz, Zweigen oder Blüten der Kornelkirsche



Tätätätätääää! Vorhang auf! We proudly present: Die Fortsetzung der Joghurtexperimente. Und dieses Mal verlief die Versuchsreihe vollkommenen zufriedenstellend. Sogar mehr als das. Es ist genial! Doch beginnen wir am Anfang. Das Joghurt aus Chilistielen war ja nicht so mein Ding. Zwar völlig ohne Schärfe, irritierte mich die Chilinote doch zu sehr und auch die Konsistenz liess zu wünschen übrig. Schon nach einer Inkubationszeit von nur 3 Stunden begann sich die Milch zu trennen und das Ergebnis erinnerte eher an Sauermilch als an Joghurt. Wie schon im damaligen Post geschrieben, gehe ich davon aus, dass es sich auch wissenschaftlich gesehen nicht um eine Art Joghurt handelt. 


Bei meinen Recherchen zu dem Thema fand ich einen Kommentar, der mich elektrisierte. Ein experimentierfreudiger Zeitgenosse hatte Joghurt aus Milch und Kornelkirschenzweigen (lat. Cornus mas) fabriziert. Zuerst war ich überaus skeptisch. Die Chiliversion war von einigen Leuten im Netz hoch gelobt worden, mich hatte sie enttäuscht. Konnte das überhaupt funktionieren? Und wenn ja, wie? Ich durchsuchte alle Wildpflanzenbücher, die bei mir im Regal stehen. Aber auch sie brachten kein Licht ins Dunkel. Irgendwo im Internet stiess ich dann auf eine kleine Fussnote, in der stand, dass im Holz und in den Blüten der Kornelkirsche der Lactobacillus bulgaricus haust. Das kam mir irgendwie bekannt vor. Wikipedia spuckte dann folgende Informationen dazu aus:

Lactobacillus delbrueckii subsp. bulgaricus (als Kurzform ist auch L. delbrueckii ssp. bulgaricus gebräuchlich) ist ein grampositivesstäbchenförmiges Bakterium, das zur Herstellung von Joghurt verwendet wird. Dabei verwertet das Bakterium die in der Milch vorhandene Lactose (Milchzucker) in der Milchsäuregärung, die dabei gebildete Milchsäure führt zur Säuerung und Dicklegung der Milch.


Zur Herstellung von Joghurt? Echt? Cool! Das wäre ja DIE Alternative zur herkömmlichen Zubereitung mit gekauftem Joghurt, denn regionaler, saisonaler und nachhaltiger geht's kaum. Im letzten Herbst hatte ich mich ja auf die Jagd nach den Früchten der Kornelkirschen begeben, deshalb kenne ich mehrere Standorte dieser dekorativen Sträucher. Netterweise wächst eine ganze Hecke davon auf öffentlichem Grund gleich um die Ecke, und zwei Häuser weiter steht sogar ein stattlicher Kornelkirschenbaum.


Ich bewaffnete mich mit einer Gartenschere und schnitt ein paar grüne Zweige, Blüten und verholzte Ästchen ab. Zu Hause wurde alles kurz mit kaltem Wasser abgebraust und zum Trocknen auf ein Küchenpapier gelegt. Eigentlich wollte ich den Versuch direkt danach starten, kam dann aber wegen familiärer Verpflichtungen erst 24 Stunden später dazu. Die Zweige hatten sich durch die Liegezeit nicht verändert, die Blüten hingegen waren angewelkt. Unsicher, ob es auch mit angetrockneten Pflanzenteilen funktioniert, schaltete ich den Joghurtbereiter trotzdem zum Vorwärmen ein. Ich goss etwa 250 ml Vollmilch in einen Topf und erwärmte sie auf 50 Grad. Unterdessen wusch ich drei kleine Gläser gründlich mit heissem Wasser aus und stellte sie kopfüber zum Abtropfen auf ein Küchentuch. Ich schnitt die Zweige und das Holz in etwa 3 cm lange Stücke und legte jeweils vier davon in ein Gläschen. Der Topfinhalt hatte sich unterdessen auf ideale 38 Grad (Handwärme) abgekühlt und so goss ich in jedes Gläschen etwa 80 ml Milch. Zweigstücke und Blüten schwammen sofort an die Oberfläche. Mit einem Löffelstiel tauchte ich sie nochmals unter, damit sie rundum mit Milch überzogen waren. Gläser in den vorgeheizten Joghurtbereiter gestellt und den Deckel aufgelegt. Dann kam der schwierigste Teil. Das schier endlose Warten.


Der Start war an einem Samstag um 13:00. Nach 3 Stunden setzte sich die Sahne oben ab und verfärbte sich in den nächsten Stunden gelblich (siehe Foto). Dieses Absetzen ist bei nicht homogenisierter Milch völlig normal. Nach 6 Stunden stupste ich die Oberfläche mit einem Löffelstiel sanft an, doch unter der Sahneschicht war immer noch alles total flüssig. Auch nach 9 Stunden gab es keine wahrnehmbare Veränderung und nach 12 Stunden ohne Verdickung hielt ich das Experiment für gescheitert. Um festzustellen, ob sich vielleicht am Boden etwas getan hatte, rührte ich kräftig im Glas mit den verholzten Zweigen herum. Mist, flüssig as flüssig can be. Rühren während des Fermentationsprozesses ist normalerweise strikt verboten, doch nach so vielen Stunden ohne Reaktion, rechnete ich nicht mehr mit einem Erfolg. Enttäuscht setzte ich den Deckel wieder auf den Bereiter und ging ins Bett.


Als ich am Sonntagmorgen so gegen 09:00 auf der Suche nach einem Glas Orangensaft durch die Küche schlurfte, kam mir das Joghurt wieder in den Sinn. Ich ging zum Bereiter, nahm den Deckel ab, stupste mit dem Finger die Oberfläche an und sie war fest! Richtig fest, nicht so weich und wabbelig wie beim Chilijoghurt. Der Inhalt aller drei Gläser hatte sich verdickt. Juhui! Bei den Gläsern mit den grünen Zweigstücken und den Blüten hatte sich ein wenig Molke abgesetzt. Im dritten Glas mit den Holzstücken war ein richtiges Kuddelmuddel wegen meiner abendlichen Umrührerei. Dort schwammen weisse Bröckchen und Fitzelchen in der Molke, die sicher auch eine gleichmässige Schicht gebildet hätten, hätte ich nicht dazwischen gefunkt. Ich stellte die Gläser zum Auskühlen auf die Terrasse und fischte die Pflanzenteile heraus, als das Joghurt völlig durchgekühlt war. Die Kostprobe schmeckte sensationell mild-sahnig-crèmig. Ich nahm drei weitere Gläser und setzte gleich von allen drei Versuchen eine neue Generation an. Nach sieben Stunden war das Joghurt fertig und schmeckte fast noch besser als die erste Generation. Mittlerweile bin ich bei der siebten Generation angelangt und kann wahrlich behaupten: Es lebt! Und schmeckt! Hurra! Unbedingt ausprobieren!


Für den ersten Ansatz:

  • ein verholzter Ast oder ein grüner Zweig der Kornelkirsche, ca. 15 cm lang
  • 100 ml frische Vollmilch

Ast oder Zweig kurz abbrausen und mit Küchenpapier trocken tupfen. Vier Stücke à jeweils 3 cm abschneiden und in ein sauberes Glas geben. Mit der erwärmten Milch übergiessen und etwa 18 Stunden im Joghurtbereiter reifen lassen, bis sie sich verdickt hat. Für die zweite Generation nimmt man pro 250 ml Milch zwei Teelöffel Joghurt. Milch erwärmen, Joghurt darin verrühren und für sieben Stunden in den Bereiter stellen. Bei allen weiteren Generationen gleich verfahren. Das Joghurt hat sich bei mir im Kühlschrank locker mehr als drei Wochen gehalten, ohne umzukippen oder zu schimmeln.


Nachwort: Ich schätze mal, dass die Konzentration der Lactobazillen in allen verwendeten Teilen des Strauches etwa gleich hoch sein dürfte. Zumindest für den Hausgebrauch macht es keinen Unterschied, ob Holz, grüne Zweige oder Blüten verwendet werden. Laut Wikipedia soll der Lactobacillus bulgaricus ein ziemlich saures Joghurt ergeben, was bei mir aber (noch?) nicht der Fall ist. Im Gegenteil. Es ist milder und sahniger als alles, was ich vorher je fabriziert habe. Hoffentlich bleibt das auch so. Vielleicht säuert es in irgendeiner zukünftigen Generation noch nach, aber bis jetzt ist davon nichts zu spüren. Update November 2014: Auch die folgenden Generationen des KoHo-Joghurts waren wunderbar mild. Weil wir während der kalten Jahreszeit nur sehr wenig Joghurt essen, stelle ich im Winter die Produktion ein, und setze dann im Frühjahr eine neue Kultur an. 


P.S. 
Es funktioniert auch mit Sojamilch! Sie hat es erfolgreich ausprobiert. 
Ihr könnt also mit Kornelkirschenholz und Sojamilch
ganz einfach VEGANES Joghurt ohne Pülverchen und Co. herstellen!
Danke für die Arbeit und die Rückmeldung.

19 Kommentare:

  1. Spannend und hochinformativ wie immer! Will auch! Ok, also muss ich mit dem Aussehen der Cornellkirsche vertraut machen und losziehen. Ich berichte. :-)
    Liebe Grüße,
    Eva

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  2. Faszinierend, dass sowas funktioniert! Denkst du, das ginge auch mit Sojamilch?

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  3. @ kochpoetin
    Freue mich jetzt schon auf die Rückmeldung.

    @ Ines
    Ich musste mal schnell googeln, denn ich bin ja kein Freund von Sojamilch und habe mich deshalb noch nicht mit dieser Möglichkeit auseinandergesetzt. Laut diversen deutschsprachigen und englischen Einträgen im Netz wird Sojamilch oft mittels Lactobacillus bulgaricus in Joghurt verwandelt. Prinzipiell sollte es also problemlos funktionieren. Würde es ja gerne selbst ausprobieren, aber mich bringt alleine der Geruch von Sojamilch zum Würgen. Falls du einen Versuch startest, würde ich mich sehr über eine Rückmeldung freuen.

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  4. Ich hab's nun mittlerweile mit Sojamilch versucht und es hat geklappt! http://zeitohnegeld.blogspot.ch/2014/03/kuchenexperimente-holzjoghurt.html

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  5. Tolle und innovative Idee! Danke dafür. Seit drei Jahren pflanze ich jeden Herbst Kornelkirschen, Kornellensirup steht immmer griffbereit bei uns, Chutney (sehr lecker!), Eis und Limo (letztere mit frischer Minze) hab ich bisher ausprobiert und ich dachte auch ich hätte schon alles dazu gelesen - aber dass sich das Holz zum Joghurtmachen eignet - darauf bin ich bisher noch nicht gestossen. Habs natürlich gleich ausprobiert, und es sind sogar zwei von fünf Gläsern gelungen - sehr sehr fein der Joghurt.

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  6. @ philemon
    'Tschuldigung, dass ich erst jetzt reagiere. Die Kommentare der letzten Tage sind komischerweise alle im Spamordner gelandet und den gucke ich nur selten durch.

    Super, danke für die Rückmeldung. Freut mich, dass es bei dir geklappt hat und auch schmeckt.

    Ganz liebe Grüsse

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  7. Jetzt bin ich doch tatsächlich eben des erst auf diesen Post gestoßen - und vermutlich genauso elektrisiert, wie du am Anfang wohl warst!!!
    Joghurt ohne fremden Starter! Das ist ja wirklich genial! Wieder ein Stück Unabhängigkeit mehr!
    Das wird ausprobiert, habe ich doch letztes Jahr eine Kornelkirsche in unserem Garten versenkt...
    Werde berichten!

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  8. Es klappt!!! :-D
    Genial! Bin total begeistert!

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  9. Hat super geklappt!!! Danke für dein Experimentieren!!!
    Wie lange könntest du den Joghurt vermehren ohne neu ansetzen zu müssen?

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  10. Wunderbar! Dickes Dankeschön für die Rückmeldung!

    Konnte den Joghurt sicher 15-20 mal weiter vermehren,
    ohne dass er sauer wurde oder die "Kraft" spürbar nachgelassen
    hat. Aber da ich den Winter über die Kultur immer aufgebe und
    im Frühjahr eine neue starte, weiss ich leider nicht, ob die Vermehrung
    ins Unendliche möglich ist. Würde es auch nicht unbedingt empfehlen,
    damit die Chance einer unerwünschten Verkeimung klein bleibt.

    Was ich immer noch nicht ausprobiert habe, ist Zweige einzufrieren
    und sie auf ihre Tauglichkeit für eine Starterkultur zu testen. Damit
    wäre man komplett unabhängig im Bezug auf die Joghurtherstellung.

    Nochmals ganz herzlichen Dank für deine Rückmeldung!

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  11. P.S. Sorry, dass ich erst jetzt antworte.
    War die letzten Tage mit der Räumung der Wohnung meiner Mutter beschäftigt und dort habe ich keinen Internetzugang.

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  12. Poah, das hab ich auch erst jetzt gecheckt, was du da gezaubert hast. Auch ich bin elektrisiert!!!
    Das muss ich auch unbedingt ausprobieren.
    Sag, du hast nicht zufällig auch Erfahrungen in der Herstellung von "Nesselkäse"? Man kann angeblich auch Nesselblättern eine Lab-Flüssigkeit herstellen, die dann die Milch dicklegt. Hat aber bei mir nicht funktioniert ;-(
    Liebe Grüße!

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  13. Nein, leider nicht. Aber was ja nicht ist, kann ja noch werden. :-)

    Ganz liebe Grüsse zurück

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  14. Klappt.
    Ich musste noch 12 Stunden länger warten, hatte aber auch weniger Astzentimeter und 500 ml Milch auf einmal.

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  15. Hallo,
    weißt du, ob das auch mit anderen Hartriegel-Arten (Sorten) funktioniert? In Ostfriesland finde ich einfach keinen Kornelkirschenbaum. Ich würde das so gern testen. Hat vielleicht jemand Lust, mir ein paar Zweige zu schicken?

    Grüße aus Ostfriesland

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  16. Hallo Herr oder Frau Anonym

    Leider kann ich dir nicht weiterhelfen, da ich die Joghurtherstellung noch nie mit anderen Hartriegelsorten ausprobiert habe. Aber Versuch soll ja bekanntlich kluch machen. Oder so. ;-)

    Liebe Grüsse

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  17. Ein geschlagenen Jahr hat meine Kornelkirsche gestreikt und kein Joghurt, sondern nur bittere Brühe produziert... Gestern hat es endlich!!! wieder geklappt! Welch geschmacklicher Unterschied zu den gekauften Produkten!!!

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  18. Hallo! Danke für die tollen Anleitung- ich habe alles ganz begeistert gelesen. Hast du das Joghurtmachen mittlerweile auch mit Sojamilch probiert. Bei mir ist nämlich zusätzlich zum Soja- und Joghurtgeschmack ein komischer Nebengeschmack aufgetreten. Viele Grüße!

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  19. Hallo Sophie

    Nein, die pflanzliche Variante habe ich nie ausprobiert. Bin kein Fan von Sojamilch. Vielleicht liegt es an dem verwendeten Produkt bzw. den Inhaltsstoffen (sowas wie eine chemische Reaktion)?

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