Seiten

Freitag, 16. November 2018

Schön ist es, auf der Welt zu sein....

Am Abend völlig kaputt ins schon recht volle Tram eingestiegen und einen Eckplatz ergattert, der nur eine verkleinerte Sitzfläche bot. Eine Station später nimmt eine junge Schülerin neben mir Platz. An der nächsten Station steigt eine alte Frau ein. Schülerin steht auf, und bietet ihr den Platz an. Die Frau sitzt fast auf mich drauf, haut mir ihren Ellenbogen in die Seite, dreht sich zu mir um und giftelt: Machen sie sich gefälligst dünn!
Ich: Tut mir leid, geht nicht. Neben mir ist ein Eckvorsprung.
Drücke mich aber, obwohl es sehr unbequem ist und meine lädierte Schulter protestiert, noch ein bisschen mehr gegen den Vorsprung. 
Zwei Minuten Ruhe.
Dann dreht sie sich wieder um: Sie müssen abnehmen. Sie sind zu dick.
Nach dieser unnötigen Beleidigung grinst sie beifallheischend in die Menge.
Ich: Sie können sich gerne irgendwo anders hinsetzten, wenn ich ihnen zu dick bin.
Sie grinst und scheint die Situation zu geniessen. So à la David gegen Godzilla.
WTF???
Eine Station weiter nimmt eine junge Dame mit Trisomie 21 auf der anderen Seite der Meckerziege Platz. Weil die Sitzflächen generell eher eng bemessen sind und wahrscheinlich auch, weil die Frau, trotz damenhafter Aufmachung und pseudoadliger Attitüde stinkt (viel zu viel aufdringliches Parfüm mit einer immer mehr durchdrückenden Unternote von Urin), rückt sie etwas von ihr ab.
Meckerziege: Sie müssen nicht wegrücken. Sie sind ja nicht ganz so dick wie die auf der anderen Seite. 
Die junge Dame versteht, dass diese Aussage kein Kompliment war.
Junge Dame: Ich bin so wie ich bin und muss mich für niemanden ändern.
Das Grinsen war nun in meinem Gesicht zu finden.
 Als Reaktion darauf, versucht die Meckerziege die junge Schülerin in ein Gespräch zu verwickeln, die aber kein Interesse zeigt.
Die Meckerziege dreht sich beleidigt um und rammt mir nochmals ihren Ellenbogen in die Seite.
Ich: Wie gesagt, wenn es ihnen nicht passt, können sie sich gerne einen anderen Platz suchen. Oder aussteigen und ein Taxi nehmen.
Während der restlichen Fahrt rückt sie mir immer mehr auf die Pelle und verkündet noch mehrmals, dass ich zu dick bin und gefälligst aufstehen soll. Dann hätte sie mehr Platz und mir würde das Stehen "gut tun".
Klar, ich nehme pro Minute Stehzeit sicherlich 3 Kilo ab...
Als ich dann aufstehe, um das Tram an meiner Station zu verlassen, drehe ich mich um und sage höflich: Sie sollten nächstes Mal frische Inkontinenzeinlagen anziehen, bevor sie aus dem Haus gehen. Es ist nämlich nicht angenehm neben jemanden zu sitzen, der so stark nach Urin riecht.
Meckerziege wird rot im Gesicht und winkt mich weg: Verschwinden sie endlich.
Drehe mich nochmals um: Ich wünsche ihnen auch einen schönen Abend.

Draussen, an der eiskalten Luft, wird mir wieder bewusst, wie sehr ich Pflegepersonal bewundere, das tagtäglich mit unzähligen Idioten derselben (oder noch schlimmeren) Sorte konfrontiert wird und solch unfassbar unfreundlichen Leuten auch noch den Hintern abwischen muss.

Ich kann nur hoffen, dass ich nie so enden werde.

Und wenn doch, dass mich Herr C. dann umgehend aus dem fahrenden Tram schubst.

2 Kommentare:

  1. Mir fehlen die Worte! Der Herr Saint-Exupéry hatte schon sehr recht mit dem Herzen, das die besten Augen hat. Eigentlich muss man fast Mitleid haben mit der Olofakto-Dame, dass sie das offenbar nötig hat. Fast.
    Darauf ein großes Stück Linzer – mit Schlag!

    AntwortenLöschen
  2. Ach, öffentliche Verkehrsmittel zur Stoßzeit sind doch ein immerwährender Quell der Freude... ich hatte da so Geschichten mit Kleinkindern und so, es ist immer wieder erstaunlich, wie viele schecht gelaunte, verbitterte Menschen es gibt...

    AntwortenLöschen