Nachdem ich vor Urzeiten mit Herrn C. zusammengezogen bin, wurde ein grosser Teil meiner Gewürzsammlung zu Staubfängern degradiert. Damals weigerte er sich nämlich standhaft, irgendwelche Gerichte zu sich zu nehmen, die Chilis enthielten. Oder Kreuzkümmel. Oder Kaffirlimettenblätter. Oder Bockshornklee. Oder Ingwer. Oder Currymischungen in jeglicher Form. Die Aufzählung ist nicht vollständig, kurz zusammengefasst könnte man auch sagen: Die asiatische Küche wurde fast restlos vom Esstisch verbannt.
Natürlich hat mich das extrem gewurmt, denn ich hielt mich damals schon für eine recht versierte Köchin, besonders wenn es um indische Gerichte ging. Statt meinem ersten Impuls zu folgen und den Kochlöffel aus Trotz an den Nagel zu hängen, fing ich heimlich an, die gerösteten Karotten mit einer winzigen Prise Kreuzkümmel zu würzen. Kürbissuppen wurden mit einem Hauch Massaman-Currypaste aufgepeppt, die geschmorten Linsen mit ein paar getrockneten Bockshornblättern verfeinert. Anfänglich verweigerte er oft wie ein bockiges Kind den Probierlöffel, doch meine Berharrlichkeit hat sich nach einigen Jahren ausgezahlt. Seither darf ich öfters Currygerichte auf den Tisch bringen, so lange die als unsympathisch eingestuften Gewürze nicht zu sehr hervorstechen und keine einzige Chilischote enthalten ist. Mit diesem Kompromiss kann ich gut leben.
Daher stattete ich vor einigen Jahren dem Asialaden um die Ecke einen Besuch ab, um Nachschub an Korianderkörnern, Fenchelsamen, Bockshornkleeblättern und Asafoetida zu besorgen. Auf der Suche nach den Bockshornkleeblättern entdeckte ich im untersten Regal grosse Plastikverpackungen, die mit "Bay Leaves" beschriftet waren. Zuerst liess ich sie links liegen und suchte weiter nach dem gelben Karton mit der Aufschrift "Kasoori Methi". Doch irgendetwas hatte mich stutzig gemacht und ich wandte mich wieder den Packungen mit den Lorbeerblättern zu. Die Blätter waren riesig, im Vergleich zu den selbst getrockneten Lorbeerblättern von meinem Strauch, der auf der Terrasse steht (siehe Fotos). Ausserdem sahen sie so ungewöhnlich glatt aus, dass ich sie auf der Stelle kaufen musste. Nach ein paar Recherchen stellte sich dann heraus, dass es sich nicht um die Blätter des Echten Lorbeers (Laurus nobilis) handelte, sondern um Blätter des Mutterzimtbaumes (Cinnamomum tamala), besser bekannt als Tejpat, Indian Bay Leaves oder indischer Lorbeer. Zimtblätter duften verführerisch nach einer Mischung aus Zimt (Nomen est omen), Nelken und Piment. Ausserdem sind sie nicht so dominant wie Lorbeerblätter und können auch als Tee aufgebrüht werden. In Nordindien werden sie gerne zum Aromatisieren von Reis, in Gerichten mit Hülsenfrüchten und in milden Curries eingesetzt.
Mittlerweile sind die Blätter Stammgäste in meiner Küche und seit ich eine Bezugsquelle für handverlesene Bio-Ware gefunden habe, ist der Verbrauch förmlich explodiert. Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass Herr C. den milden Geschmack der Blätter ebenfalls schätzt und Zimtblättercurry mit Reis, natürlich auch mit einem Zimtblatt gekocht, sich zu einem seiner indischen Lieblingsgerichte gemausert hat. Man kann für das Curry natürlich auch fixfertiges Garam Masala kaufen, doch weil die meisten Mischungen auf Kreuzkümmel basieren, stelle ich sie lieber selber her. Vorsicht ist die Mutter des Gewürzschrankes. Oder so ähnlich.
Für 2 Personen (plus reichlich Reste für die Lunchbox):
- 220 gr getrocknete rote Linsen, ungeschält
- 1 El Kokosöl
- 1 mittlere Zwiebel, fein gehackt
- 2 Knoblauchzehen, fein gehackt
- 1 würfelgrosser Knubbel Ingwer, fein zermust
- 3,5 Tl mildes Garam Masala
- 5 Zimtblätter, mehrmals bis zur Mittelrippe eingeschnitten (siehe letztes Foto)
- ca. 350 ml heisses Wasser
- 1 Dose / 400 gr Tomatenstücke
- 200 ml Coconut Cream oder 250 ml dicke Kokosmilch
- Salz
- ca. 2 Tl Amchur zum Abschmecken
Linsen am Vorabend in reichlich kaltem Wasser einweichen. Am nächsten Tag in ein Sieb leeren, gut abspülen und abtropfen lassen. Unterdessen Kokosöl in einem Topf erhitzen. Zwiebelstücke, Knoblauch und Ingwermus zugeben und so lange anschwitzen, bis der rohe Geruch verflogen ist. Dann Garam Masala und Zimtblätter rein, 30 Sekunden mitbraten. Linsen in die Pfanne schütten und mit dem heissen Wasser ablöschen. Eventuell mehr Wasser zugeben, bis die Hülsenfrüchte mit der Flüssigkeit gerade bedeckt sind. Kräftig salzen, Deckel auflegen und 3-4 Minuten kochen, bis die Linsen fast weich sind. Tomatenstücke unterrühren, 10 Minuten ohne Deckel kochen. Coconut Cream zugiessen, weitere 5 Minuten kochen, bis die Linsen butterweich sind. Ggf. mit ein wenig Wasser verdünnen, falls die Sauce zu dick scheint. Noch mindestens 10 Minuten mit aufgelegtem Deckel auf der heissen Platte ziehen lassen. Mit
Amchur (Pulver aus unreifen, getrockneten Mangos) und Salz abschmecken. Vor dem Servieren die Zimtblätter rausfischen und mit Reis oder Naan auftischen.
Für das milde Garam Masala (die Mengenangaben beziehen sich auf gemahlene Gewürze):
- 3 Tl Koriander
- 1,5 Tl Zimt oder Cassia
- 1 Tl Piment
- 1/2 Tl schwarzer Pfeffer
- gehäufter 1/4 Tl Zimtblätter
- 1/4 Tl Nelken
- 1/4 Tl Lorbeer
- 1/4 Tl grüner Kardamom
- 1/4 Tl Kreuzkümmel
- 1/8 Tl Macis
Alle Gewürze vermischen und in ein dicht schliessendes Gläschen umfüllen. Die Menge reicht für zwei Runden Zimtblättercurry. P.S. Ich muss euch wohl nicht extra darauf hinweisen, dass der Unterschied zwischen einer schlechten und einer guten Gewürzmischung darin besteht, dass immer nur eine kleine Menge aus frisch gemahlenen Bestandteilen produziert wird, oder? Kleiner Tipp: Die genial konstruierte
Kaffeemühle mit abnehmbarem Behälter von Cloer ist, meiner Meinung nach, die beste Gewürzmühle für den Hausgebrauch.