Es gibt Kochbücher, die fallen dank ihres ungewöhnlichen Formats auf. Andere springen ins Auge, weil Autorennamen oder Titel automatisch mit Genuss assoziiert werden. Manchmal bleibt der geneigte Kunde aber auch vor der Auslage eines Bücherladens stehen, weil das grossformatige Foto auf einem Umschlag so verführerisch aussieht. Ähnlich erging es mir, als ich in einer Vorschau auf die Anleitung zur Stadtflucht aus dem Residenz Verlag aufmerksam wurde, auf deren Cover ein rosafarbenes U-Boot prangte*. Meine Neugier war geweckt. Was würde sich im Innern finden? Urban nomad meets Unternehmen Petticoat? Ex-Seesoldaten feiern wilde Partys mit 3-Gänge-Menüs auf einem Truppenübungsplatz? Aber fangen wir doch, wie üblich, beim ersten Eindruck an und arbeiten uns gemächlich durch den Inhalt.
Erster Eindruck:
Quadratisch, gross, wertig. Fester Einband und zwei rosafarbene Lesebändchen. Eingeteilt sind die Rezepte nach den Jahreszeiten, jedes mit einem seitenfüllenden Foto versehen. Ein wohltuend schlichtes Layout. Bis dahin gefiel mir alles, was ich gesehen hatte. Beim zweiten Durchblättern begann sich allerdings die Frage aufzudrängen, warum inmitten der Rezepte, Fotos von ganz oder teilweise unbekleideten Damen auftauchen. Oder die Abbildung eines Mädchens, welches, zwar mit einer weissen Bluse bekleidet, bis zur Brust in einem Weiher steht und so aussieht, als wäre sie ziemlich high und/oder selbstmordgefährdet. Daneben findet sich ein Text von Philipp Traun mit dem Titel "Anleitung zur totalen Verweigerung". Hat die Druckerei etwa Mist gebaut und Teile eines Kunstbandes eingeschmuggelt? Doch ein paar Seiten weiter wird klar: Nein, diese Konstellation ist tatsächlich gewollt. Ob man in einem Kochbuch beispielsweise das Bild einer Schwangeren, mit entblösstem Bauch und Stützstrümpfen, neben der verwirrenden "Anleitung zum freundlichen Umgang mit seiner Mutter" wirklich braucht, sei dahingestellt. Ich bin weder prüde noch eine Kunstbanause, aber ohne die deplatzierten Nackedeis und die Traunerschen Ergüsse würde mir das Werk wesentlich besser gefallen.
Quadratisch, gross, wertig. Fester Einband und zwei rosafarbene Lesebändchen. Eingeteilt sind die Rezepte nach den Jahreszeiten, jedes mit einem seitenfüllenden Foto versehen. Ein wohltuend schlichtes Layout. Bis dahin gefiel mir alles, was ich gesehen hatte. Beim zweiten Durchblättern begann sich allerdings die Frage aufzudrängen, warum inmitten der Rezepte, Fotos von ganz oder teilweise unbekleideten Damen auftauchen. Oder die Abbildung eines Mädchens, welches, zwar mit einer weissen Bluse bekleidet, bis zur Brust in einem Weiher steht und so aussieht, als wäre sie ziemlich high und/oder selbstmordgefährdet. Daneben findet sich ein Text von Philipp Traun mit dem Titel "Anleitung zur totalen Verweigerung". Hat die Druckerei etwa Mist gebaut und Teile eines Kunstbandes eingeschmuggelt? Doch ein paar Seiten weiter wird klar: Nein, diese Konstellation ist tatsächlich gewollt. Ob man in einem Kochbuch beispielsweise das Bild einer Schwangeren, mit entblösstem Bauch und Stützstrümpfen, neben der verwirrenden "Anleitung zum freundlichen Umgang mit seiner Mutter" wirklich braucht, sei dahingestellt. Ich bin weder prüde noch eine Kunstbanause, aber ohne die deplatzierten Nackedeis und die Traunerschen Ergüsse würde mir das Werk wesentlich besser gefallen.
Inhalt:
Nach der knappen Anleitung zur Anleitung, aus der hervorgeht, dass die Autoren sehr viel Wert auf regionale und saisonale Bio-Lebensmittel legen, und die Verteilung der oben erwähnten "poetischen" Fotos und Texte keiner Logik untergeordnet ist (sic!), folgen gleich die Kapitel mit den Rezepten. Eine kleine Auswahl:
Nach der knappen Anleitung zur Anleitung, aus der hervorgeht, dass die Autoren sehr viel Wert auf regionale und saisonale Bio-Lebensmittel legen, und die Verteilung der oben erwähnten "poetischen" Fotos und Texte keiner Logik untergeordnet ist (sic!), folgen gleich die Kapitel mit den Rezepten. Eine kleine Auswahl:
Frühling
Carpaccio von der Chioggia-Rübe / Lachsforelle mit Mangold und Zitronenkaramell / Spargeleis
Sommer
Gazpacho mit Lavendel-Crustini / Einkornrisotto mit Paradeisern & Melanzani / Verbenen-Pesto
Herbst
Kaltes Beiried auf Apfel-Walnuss-Salat / Krautfleckern à la Tante Jolesch / Apple Crumble
Winter
Geräucherte Forelle auf Senfgemüse / Rostbraten vom Tuxer Rind / Veganer Brownie
Insgesamt finden sich auf den über 150 Seiten 40 Rezepte für Vorspeisen, Hauptgerichte und Desserts.
Was meint der Magen:
Wir starteten unser Testmenü mit einer Kräutersuppe. Zuerst wird aus einem grossen Bund (?) verschiedenster Kräuter ein Pesto hergestellt. Ich sammelte also eine halbe Salatschüssel voll Melde, Schnittlauch, Hirschhornsalat, Fenchelgrün, Borretsch, Rucola, Dill und Sellerieblätter. Die Suppengrundlage wird separat gekocht und zuletzt das Kräuterpesto einpüriert. Geschmacklich war die Suppe recht gut und farblich hübsch sattgrün. Das Foto im Buch zeigt allerdings ein Tässchen mit zartweissem Inhalt. Hmmm....
Die Tafelspitzsülze mit Birne hingegen fanden wir nur mässig gelungen. Das Rezept sollte vielleicht überarbeitet werden. Es fehlt zum Beispiel die Anweisung, die Gelatineblätter vor der Zugabe in den Fond einzuweichen. Ein halbes Bund Jungzwiebeln und zwei Stiele Liebstöckel sind leider zu viel des Guten, und erschlugen zusammen den delikaten Fleischgeschmack. Merkwürdigerweise ist auf dem Referenzfoto nur ein Streifen Grünzeug in der Sülze erkennbar, während mein Ergebnis vor grünen Sprenkeln nur so strotzte...
Der Karottenkuchen mit Hanfnuss-Karamell war ein einziges Desaster. Der Teig, bestehend aus 3 Eiern, 50 gr Zucker, 100 ml Öl, 250 gr geriebenen Karotten (ich: Küttiger Rüebli aus dem Garten), 125 gr Mehl und 1,5 Tl Natron, benötigte in meinem Ofen 50 statt 30 Minuten, bis der Stäbchentest positiv verlief. Trotzdem sackte er beim Auskühlen komplett zusammen und war innen klitschig. Beim Probieren stellte sich dann noch heraus, dass er regelrecht geschmacksbefreit und unterzuckert war. Wahrscheinlich hätte das Hanfnuss-Karamell etwas gegen die arg fehlende Süsse ausrichten können, aber da der Kuchen so völlig misslungen war, hatte ich keine Lust auf seine Vollendung. Er landete zwei Tage später unbetrauert im Kompost.
Fazit: Sicherlich empfehlenswert für Leute mit einem ausgeprägten Kunstsinn. Oder als Geschenk für zukünftige Mitglieder der Stadtflucht Bergmühle. Oder für Fans von Tobias Moretti, der das Tuxer Rind grossgezogen hat. Aber meinen (Kunst)Geschmack hat es leider nicht getroffen.
* Das Unterseeboot wurde irgendwann vor dem Erscheinungstermin gegen einen wesentlich langweiligeren rosa VW-Bus auf dem Cover ausgetauscht. Warum auch immer.
Zum Abschluss noch das Kleingedruckte: Die in dieser Rezension geäusserten Ansichten und Meinungen sind zu 100% die Meinigen und wurden von niemandem beeinflusst.
Einen ganz herzlichen Dank an den Residenz Verlag, der mir freundlicherweise ein Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt hat.
Klingt nicht unbedingt nach einem Buch für mich Kulturbanausin... ;-)
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