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Mittwoch, 23. Januar 2013

Live und in Farbe: Geschenkt ist noch zu teuer

Wollt ihr euch mal so richtig amüsieren? Dort drüben steht das Popcorn, nehmt Platz und macht es euch bequem. Heute erzähle ich euch die lange Geschichte von der total verrückten Hausbesichtigung.

Es begann alles mit einer harmlosen Anzeige, die etwa so lautete: Freistehendes Bauernhaus mit reichlich Land drumherum zu vermieten. Einfacher Standart, vernünftiger Preis.

Klang verlockend. Angerufen, Gesprächspartnerin sympathisch gefunden und einen Besichtigungstermin ausgemacht. Da dieser erst eine Woche später stattfinden sollte, fuhren wir zum Zwecke einer Vorbesichtigung gleich mal vorbei. Was wir sahen, erfreute unser Herz. Ein schickes Häuschen, nicht zu gross und nicht zu klein. Drumherum etwas Land mit alten Obstbäumen. Dahinter einige Häuser. Naja, wir hatten etwas mehr Freiraum erwartet, aber es kann ja nicht alles perfekt sein. Schnell noch durch die unteren Fenster gelinst. Gepflegte helle Räume, schöne Holzböden, sehr gemütlich. Wir waren uns sofort einig. Wenn der Rest des Hauses in einem ebenso guten Zustand ist, würden wir morden, um dort einziehen zu dürfen.

Und dann kam der sehnsüchtig erwartete Tag der Besichtigung. Es schneite wie verrückt, die Strassen waren teilweise unpassierbar und nur mit Mühe und Not schafften wir die Hinreise. Verschneit sah das Häuschen noch bezaubernder aus, die unverbaute Aussicht noch grandioser. Unser zukünftiges Vermieterpärchen begrüsste uns überschwänglich. (Er zu ihr: "Sind das die, die wegen dem Schnee später kommen? Oder wer sind die? Hä?"). Kaum im Flur, wurden wir aufgefordert, die Schuhe auszuziehen. Machen wir doch gerne. Oder doch nicht. Der Boden war eiskalt. Trotz dickster Socken hatten wir beide innerhalb von Minuten kein Gefühl mehr in den Zehen und die Füsse begannen kurze Zeit später wegen der Kälte zu schmerzen. Als ob wir barfuss auf Eis stehen würden. Aber von solchen Kleinigkeiten lassen wir uns doch nicht aufhalten.

Im Obergeschoss befanden sich zwei Zimmer. Die Wände bunt ("Wird nicht frisch gestrichen"), die Böden unbehandelt bzw. unversiegelt ("Wird nicht gemacht"). Im grösseren Zimmer bullerte der Ofen, der auch den kleineren Raum nebenan hätte aufheizen sollen. Von Wärme war nichts zu spüren, es war klirrend kalt. Ich hielt meine Hand etwa fünf Zentimeter über die Platte, um sie kurz aufzuwärmen. Obwohl das Feuer hell loderte, war der Ofen höchstens lauwarm. Kein Wunder, wie mir Herr C. später erklärte. Ausnahmslos alle Öfen waren uralt, leicht bis mittelschwer defekt und hatten null Wärmespeicherung. Man könnte das Geld auch direkt zum Fenster hinauswerfen, statt es für Feuerholz auszugeben. Nachfrage: "Würde es sich nicht lohnen, einen guten Ofen anzuschaffen?" Antwort: "Wieso? Gute Öfen sind auch nicht besser." Eine Weisheit, die ich mir merken muss.

Als nächstes ging es ab auf den Estrich. Eine funzelige Funzel verdunkelte die Treppe, auf der ich mir zuerst den grossen Zeh anknallte, bevor ich über die letzte Stufe stolperte. Reichlich unelegant landeten ich auf den rohen Boden. Zwei Fenster, ein Loch zwischen den Fenstern und verschobene Dachziegel spendeten etwas zusätzliches Licht. Es reichte, um die uralten Ziegel und irgendwelches Gerümpel erkennen zu können. Keine Isolierung, also nicht als Wohn- oder Lagerraum nutzbar. Auf dem Rückweg rutschte ich auf einer unebenen Stufen aus und konnte im letzten Moment verhindern, Kopf voran ins selbst gebastelte Elektrotableau zu sausen. Dessen Aussehen hätte übrigens jedem Elektriker unweigerlich einen Herzinfarkt beschert. Ich sah schon die Grabinschrift vor mir: Mitten aus dem Leben gerissen, als sie eine Sicherung wechseln wollte. Unser künftiger Vermieter, nennen wir ihn Mario, schien meinen entsetzten Blick mit Faszination zu verwechseln und erklärte stolz, dass er diesen Murks zusammengebastelt hatte. "Was sind sie denn von Beruf?" - "Gipser". Cool.

Herr C. war nicht minder entsetzt. Als er Mario zu verstehen gab, dass er sich mit Elektrozeugs auskenne, wollte dieser gleich ein paar Ratschläge, wie er denn die ganze Konstruktion an einer behördlichen Kontrolle vorbeischmuggeln könne. Solche Kontrollen verursachen schliesslich nur unnötige Kosten und bringen rein gar nichts. O-Ton: "Die wollen doch nur, dass du es nicht selber machst." Wo er recht hat, hat er recht.

Weiter ging's im Erdgeschoss. Zwei eiskalte Zimmer mit bunten Wänden ("Wird nicht frisch gestrichen") und ein weiterer Ofen, der keinerlei wahrnehmbare Wärme spendete. Die Aussicht war so entzückend, dass ich um ein Haar die Präsentation der Küche verpasst hätte. Hätte ich doch bloss weiter aus dem Fenster gestarrt, dann wären mir viele, viele Albträume erspart geblieben. Erster Blick (geblendet durch den frischen Schnee): Ganz nett. Zweiter Blick: Vielleicht doch nicht. Dritter Blick: WTF????? Zu meiner Linken eine erst kürzlich dorthin platzierte, freistehende Badewanne. Okay, nicht gerade das Highlight der nächsten Wohnmesse, aber es könnte schlimmer sein. In einem alten Bauernhaus macht es Sinn, die Waschgelegenheit in den wärmsten Raum des Hauses zu verlegen. Wenn man im 19. Jahrhundert lebt. Aber doch nicht im Jahr 2013! ("Herr Richter, es war wirklich keine Absicht. Ich bin über eine kaputte Fliese gestolpert, im Verlängerungskabel hängen geblieben und dadurch landete der laufende Mixer in der Wanne....")

Direkt neben Wanne und Türe stand, ohne jegliche Abschirmung, ein Klo. K-L-O. Bevor ich diesen Anblick verdauen konnte, meldete sich Frau Vielleicht-doch-nicht-zunkünftige-Vermieterin zu Wort: Das ist äusserst praktisch, wenn man kleine Kinder hat. Bitte???? Ich kann mir auch nichts schöneres vorstellen, als ein Kind mit Magen-Darm-Grippe, dessen Krankheitsgeräusche und -gerüche mich beim Kochen begleiten. Bei einem Erwachsenen dürfte der Entertainmentfaktor noch höher liegen. Oder wenn die Toilette verstopft und überläuft. *würg* Also schnell nach rechts geguckt und über den eigenen Quietscher erschrocken. Küche? So etwas nennt ihr Küche? Zwei winzige Schränkchen, ein Minibar-Kühlschrank und ein uralter Herd, dessen Backofentüre mittels einer Schrauben-Haken-Hölzchen-Konstruktion an Ort und Stelle gehalten wurde. Erfindungsreichtum kann man ihnen also nicht absprechen.

Der Rest bestand aus kackbraunem (wie passend..) Spanplattendesign. Alles abgegriffen, zerkratzt oder beschädigt. Rohe Wand rund um's Fenster, nackter Beton über der ganzen "Küchenzeile" ("Wir haben die Oberschränke herausgerissen"), kaputter Boden. Erklärung: Die Küche sollte in den Schopf verlegt werden. Aha. Und wann wird sie verlegt? Antwort wie aus der Pistole geschossen: Die Küche wird so vermietet, wie sie ist. Langsam drängte sich die Frage auf, wer von uns zum Frühstück statt Cornflakes ein paar LSD-Pillchen eingeworfen hatte.

Der Keller hingegen war eine Wohltat. Neuer Fussboden, neue Waschküche, eine nett gekachelte Dusche und ein abgetrenntes Kloräumchen. Irritierend waren die unfertige Ecke des Bodens, das Gerümpel in der Waschküche, der rostig verfärbte Duschboden, die mitten im Raum stehende Kloschüssel und die noch eisigere Kälte. Machen wir's kurz: Der Boden bleibt so, wie er ist. Wäsche muss während der kalten Jahreszeit mit dem Entfeuchter getrocknet werden. Es sei denn, wir würden uns einen Trockner anschaffen. Auf eigene Kosten, natürlich. Da die Leitung ab und zu mal einfriert, hatte er das Klo abmontiert. Passiert das oft? Nee, letztes Jahr war es nur ein Mal. Wie wäre es mit einem kleinen Radiator? Nicht nötig, es gibt ja noch das Klo in der Küche. Wie konnte ich das bloss vergessen... Duschen ist ganzjährig möglich, aber zwischen September und April sollte man es nur stinkbesoffen tun. Sonst hält man den Kälteschock nicht so gut aus. Keine Isolierung, keine Heizung. Wir wünschen einen fröhlichen Aufenthalt in ihrem eigenen Klein-Sibirien.

Unter dem Keller lag noch ein Raum. Im Halbdunkel meinte ich ein Schwimmbecken auszumachen. Aber wieso standen darin mehrere Ölfässer? Des Rätsels Lösung: Mister Universalhandwerker hatte angefangen, sich hier seinen eigenen Öltank mit Teichfolie zu basteln. Herr C. war kurz vor einer Ohnmacht und ich hätte mir beinahe in die Hose gemacht. Bei solch eisigen Temperaturen einen Lachanfall unterdrücken zu müssen, ist höllische Schwerstarbeit. Zumindest die geräumige Tiefkühltruhe hätte ich also von der Einkaufsliste streichen können. Im angrenzenden Schopf gab's dafür sowieso keinen Platz. Dort nahm nämlich ein riesiger Haufen Hausrat den grössten Teil der Fläche ein. Würde das Gerümpel vor unserem Einzug verschwinden? Er schien die Frage auch nach der dritten Wiederholung nicht gehört zu haben. Vielleicht waren seine Ohren zugefroren. Auch der Schopf war nicht isoliert, nicht heizbar und daher nicht zu gebrauchen. Wo er dort die Küche unterbringen wollte, ist mir bis heute ein Rätsel.

Im Gänsemarsch gingen wir dann nach draussen, wo es im Gegensatz zum Keller, schon fast angenehm warm war. Überraschenderweise wurde uns eröffnet, dass ein Teil des Landes der Gemeinde gehöre ("Weiss auch nicht genau wieviel"). Mauern und Zäune müssten alle noch errichtet und der provisorisch abgestützte Teil noch dringend gesichert werden. Das grosse Loch in der Terrasse hatte er vorsorglich mit einem Brett verdeckt. Aus Angst vor Unfällen oder in der Hoffnung, dass wir es nicht entdecken würden? Und ja, ihr habt's erraten, Supermario wird sich auch dieser Probleme nicht annehmen. Wofür hat er denn schliesslich Mieter? Doch ich greife vor.

Nach der Führung schien er unsere fehlende Begeisterung für seine Horrorruine entfernt zu ahnen ("bemerken" wäre wahrlich übertrieben formuliert). Er zündete sich zur Aufmunterung gemütlich einen Joint an und begann zu schwadronieren: "Am besten wäre es, wenn ihr euch ein älteres Pärchen als Mitbewohner sucht. Die wohnen dann im ausgebauten Schopf. Küche und Bad müsstet ihr euch teilen, aber das ist ja kein Problem. Alte Leutchen sind genügsam." Mitbewohner? Ausgebauter Schopf?? Küche und Bad teilen??? Von was redete der Mann????

"Ihr könntet auch in das Haus investieren. Zum Beispiel den Schopf ausbauen. Oder noch besser, ihr investiert eine grössere Summe und wir wohnen zusammen als WG. Kannst es ja von der Bank leihen." Zwischenbemerkung: Vier Erwachsene, zwei Kinder, ein Hund verteilt auf vier Zimmer, mit einer reinen Wohnfläche von etwa 70 Quadratmetern. Luxuriös. Wieso wollte ich asoziales Kind bloss ein ganzes Haus nur für uns drei, wenn ich stattdessen eine richtig tolle Jubeltrubel-Kiffer-Kinder-Senioren-WG haben kann? Langfristiger Mietvertrag übrigens ausgeschlossen. Wenn sie kein anderes Haus finden, welches ihnen gefällt, würden sie hier wieder einziehen. Könnte jederzeit passieren. Wie schön aber auch.

Pothead wollte dann noch wissen, wer von uns sich um dem Garten kümmern würde. Beide natürlich. Von dieser Antwort schien er sehr enttäuscht zu sein. Er wandte sich mit Hundeblick an Herrn C. und gab patzig zurück: "Aber ich hatte gehofft, dass du mir beim Renovieren hilfst." Wie jetzt? Renovieren? Während wir dort wohnen? Warum hat er das nicht in den sechs Monaten getan, als das Haus leer stand? Was will er denn renovieren? Alles, was er vorhin noch nicht renovieren wollte? Von einer Mietreduktion oder ähnlichem war natürlich nie die Rede. Unsere Reaktion auf die Nachfrage, ob uns seine Pläne gefallen würden, könnt ihr euch sicher vorstellen. Wir blieben sehr höflich, wiesen auf die ganzen Mängel hin und bezweifelten vorsichtig die Richtigkeit der angegeben Mietsumme. Erst jetzt schien er zu begreifen, dass wir seinem Charme nicht erlegen waren. Grosszügig bot er uns an, eine Nacht darüber zu schlafen und ihm dann unser Angebot zu unterbreiten. Wir nahmen dankbar an und machten uns so schnell wie möglich aus dem Staub.

Im Auto konnten wir uns nicht mehr beherrschen. Zuerst probierten wir ernsthaft darüber zu reden. Vergeblich. Wir gackerten wie irre Hühner. Brüllten vor Lachen. Rissen einen dummen Witz nach dem anderen. Konnten uns überhaupt nicht mehr beruhigen. Zumindest hatten wir den Rest des Tages etwas zum Schmunzeln.



10 Kommentare:

  1. Was für ein Wahnsinn! Aber ich habe wenigstens morgens auf der Arbeit schon gelacht - Danke :-)

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  2. Unglaublich...Menschen Gibt's. Aber das bestätigt eindeutig die These meiner Mutter. auf 80% der Menschheit könne man getrost verzichten. ;-) Solche Besichtigungen habe ich auch schon erlebt (wir wollten einst ein Häuschen in Schleswig-Holstein auf dem Land mieten - jetzt wohnen wir mitten in Hamburg... manchmal ist das Leben schon komisch) Ich drücke weiterhin die Daumen, dass ihr etwas passendes findet!

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  3. Es ist echt irre, was man bei wohnungs- und Hausbesichtigungen so erleben kann. Aber die Story schlägt wirklich alles, was ich erlebt habe! Trotzdem-nicht aufgeben! Plötzlich kommt das Richtige!

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  4. Ne, oder? Das ist nicht wahr - sag, dass das nicht wahr ist. Das ist ja der Horror.

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  5. Du hast grade meinen Tag gerettet :-)
    Ich kenne sowas, wenn auch nicht in dieser extremen Form. Es macht durchaus auch, sich in München eine neue Bleibe zu suchen. Uns wurde mal mitgeteilt, dass man für die 50 Jahre alte Küche beim Antiquitätenhändler ein Vermögen erzielen könnte ;-)
    Ich drücke weiterhin feste die Daumen für eine neue Bleibe. Beheizt, mit Klotür und einer Küche mit Spitzenbackofen!

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  6. Danke danke danke! Ich habe schon lange nicht mehr so gelacht! Du schreibst wunderbar!
    Saluti
    Ariane

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  7. UUUUUUnglaublich!
    Das hat mir jetzt den Tag versüßt. Moment kann nicht tippen, muss erst aufhören zu lachen... ;-)

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  8. Kreisch! Ich lieg auf dem Boden :D oh man...Drücke Euch weiter die Daumen!!
    LG
    Em

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  9. Ich kanns nicht glauben.
    Dreist kann ich da nur sagen.
    Ich dachte die Erlebnisse meines Sohnes bei der Wohnungssuche wären haarsträubend.
    Das hier schlägt aber alles!

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  10. Ich kam mir beim Lesen vor wie in einem Horrorfilm, erst nach und nach hab ich auch die Komik erkannt..hm wobei über sowas möchte ich eigentlich nicht lachen, eher weinen.
    Ich hoffe ihr findet bald eine schöne akzeptable (und nicht eine renovierungsbedürftige WG) Wohnung oder Haus.
    Hier in unserer Gegend gäbs im Moment viele Häuser zu kaufen und zu mieten, aber ich fürchte dafür seid ihr zu weit weg.

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